Die
Einträge hängen
davon ab, wann wir einen Internetzugang
finden. Wir
werden natürlich versuchen, möglichst
aktuell zu sein
Datum
20. März
2012
Position
Prickley
Bay, Grenada, West Indies
Seemeilen bisher
33014
Wind
Süd-Ost 5 Bft
Tage unterwegs
1041
Ascension (Himmelfahrtsinsel)
ist nur ein Pünktchen auf unserem Wasserballglobus
und nur die Spitze eines gewaltigen Vulkanbergs, der
4000 Meter vom Meeresspiegel zum Meeresgrund in die
Tiefe hinab ragt. Entstanden ist die 91 Quadratkilometer
kleine Insel, wie auch St. Helena, durch einen hot
spot in der Erdkruste, auf halbem Weg zwischen Afrika
und Südamerika, genauer auf 8 Grad südlich
des Äquators.
Im
Vorfeld wusste ich so gut wie nichts von dieser Insel,
deshalb
erwähne ich kurz was da so abging
bevor Momo landete.
1501 wurde die Insel von Joao da Nova entdeckt, aber
sie wirkte so unwirtlich dass niemand bleiben wollte,
so wurde sie einfach vergessen. Lediglich später
vorbei segelnde Schiffe ankerten in der Clarence Bay
zwecks Verproviantierung - sie ernteten Schildkröten.
Als 1815 Napoleon nach St. Helena verbannt wurde, besetzte
die Royal Navy die Insel Ascension und baute,
um Befreiungsversuche zu erschweren, eine Festung.
Weiter entstand ein Stützpunkt für das Westafrika
Geschwader. 1836 landete
Charles Darwin mit der HMS Beagel. Darwin wollte
einen Garten Eden aus der Insel machen, so begeisterte
ihn das Erscheinungsbild der Insel. Darwin erschuf
tatsächlich ein Ökosystem und ließ u.
a. Eukalyptus, Pinien und Bambus einschiffen und auf
Ascension anpflanzen.
1899 verlegten die Eastern Telegraph
Company und andere Firmen die ersten Seekabel zur Insel,
um London und
das damalige britische Kapstadt zu verbinden. Das war
der Beginn der Insel als Kommunikationsknotenpunkt.
Im 1. Weltkrieg wurde die erste Funkanlage gebaut.
Im
2. Weltkrieg
diente die Insel zur Überwachung
der Handelsrouten. 1941 hat die United States Army
Air Force die Südatlantik-Brücke in Betrieb
genommen. Nach dem
Krieg wurde die Insel als Testgelände
für Interkontinentalraketen verwendet. Die ESA
und NASA bauten Bodenstationen. Ascension bekam eine
Station für ein Satellitennavigationsystem, GPS,
und sie wurde Standort einer Kurzwellensendeanlage
des BBC.
1982 diente
die Insel den Briten als Basis für
die Rückeroberung der Falklands.
2004 erst wurde Ascension für das öffentliche
Publikum geöffnet. Heute leben 900 Menschen auf
der Vulkaninsel: Amerikaner, Briten und Menschen aus
St. Helena, die meisten sind Mitarbeiter der verschiedenen
Organisationen.
Am Dienstag, dem 7. Februar wachen wir in der Clarence
Bay auf.
Eine Nacht mal wieder durch schlafen hat gut getan.
Und der Anker hat gehalten,
die See ist nämlich rough und starke Roller brechen
sich am Ufer. Ausbooten und Anlanden auf Ascension
mit
der
Einklarierung steht auf unserem Programm heute. An
der steilen Hafenmauer und der daran angebrachten Eisentreppe
ist wegen der starken Brandung das Ausbooten und Anlanden
mit dem Schlauchboot ein Abenteuer. Wir setzen mit
einer „Prahm“ (ein offenes Boot) über,
welche an der Treppe festgemacht ist und mit Abstand,
sie hängt an einer Leine, im ruhigeren Wasser
schwoit. Das funktioniert so: wir binden an diesem
Boot unser Dinghy an, steigen über auf die Prahm
und hangeln uns an der Leine entlang zur Hafenmauer
hin, warten einen günstigen Moment ab um dann
auf die Leiter zu hechten. Unser wasserdichter Rucksack
bewährt sich mal wieder richtig. Unser Hilfsboot
treibt nun an der Leine wieder zurück, der Nächste
kann kommen. Bei der Rückkehr holt man einfach
das Boot wieder dicht. Anlegemanöver klar?
dieses Gefährt ist die Fähre vom Dingy zur Treppe
Wo gab es das seither noch, direkt am Hafen befindet
sich sowohl der Zoll als auch die Hafenbehörde
und auch noch in einem Büro und Humor haben
die Beamtinnen auch noch. Der spezielle Service auf
Ascension, das Putzen des Schiffes durch die Triggerfische,
sei kostenlos, meinen sie schmunzelnd. Wir bedanken
uns freundlich und suchen anschließend noch
das kleine Büro der Immigration in Georgetown
auf. Einen Schildkrötenstempel in den Pass hat
auch nicht jeder, wir freuen uns wie kleine Kinder.
von den Putzer Piranhas haben wir ja schon letztes
Mal berichtet
Georgetown
wir schlendern durch einen beschaulichen verschlafenen
Ort mit einem Ladengeschäft, wobei auch hier Frischware
Mangelware ist, dann gibt’s noch einen Imbiss,
die Kirche St. Marys Church aus dem Jahre 1847, die
Old Marine Barracks, ein Postamt, ein observation office,
eine Bar und das Hotel Obsidion mit einem Souvenir
Shop und einem Autoverleih. Kaum ein Auto fährt
auf der Straße, auch wirkt der Ort fast menschenleer.
Auf der leeren Terrasse des Hotels Obsidion können
wir immerhin Internet empfangen und damit e-mails abrufen
und schreiben und Wetterberichte holen. Zu trinken
gibt’s leider nichts, nicht mal einen Kaffee.
Wenn das Wetter mit macht, wollen
wir am Freitag wieder weiter – wohin genau diskutieren
wir noch. Vorher steht auf jeden Fall noch „Insel
angucken“ und „Schildkröten
beobachten“ auf dem Programm.
Auf der Suche nach
dem Teufel Devils Ashpit, Devils Inkpot, Devils Cauldron,
Devils Riding School.
Bei der Namensgebung der Inselspots scheint der Teufel
eine große Rolle gespielt zu haben. Die wenigen
Straßen die es hier gibt sind geteert und seit
der amerikanische Flughaufen gebaut ist, wird rechts
gefahren, Vorfahrt haben die Bergab fahrenden und die
Höchstgeschwindigkeit beträgt 64 Kilometer
in der Stunde. Mit dem Auto fahren haben wir somit
kein Problem. Unübersehbar ist die Insel vulkanischen Ursprungs,
sie ist gespickt mit verkohlten Kegeln und Kratern,
sie wirkt nackt und roh, gealtert durch Zeit und Wetter.
Unentwegt nagt die Erosion an dem Vulkangestein und
irgendwann wird die Insel wieder verschwunden sein – unter
dem Meeresspiegel – aber nicht so lange wir hier
sind.
Am Denkmal „The Lizard“
halten wir kurz an, soll das ein Kunstwerk sein? Wir
lassen uns belehren: Im Zeichen tiefster Verachtung,
bewirft man das Denkmal mit Farbe – so ist es
Tradition – und dann musst du nicht mehr auf
die Insel zurück kommen. (Das spricht nicht für
ein glückliches Leben auf der Insel.) Originell
sind auch die Bushaltestellen. Ein kleines Holzboot,
senkrecht aufgestellt, ist weniger als Unterstand für
den Regen gedacht, sondern als Schattenspender.
"The Lizard" Busstop
Außer dem Hauptort Georgetown gibt
es noch im Inselinneren das One Boat und Two Boats
Village und
die Siedlungen Wideawake und Cat Hill der Royal Airforce
und der US Basis. Der Green Mountain, völlig im
Kontrast zum restlichen Inselland, steht der 800 Meter
hohe Berg als saftig grüne Insel
mitten im Dessert. Wir finden eine dichte tropische
Vegetation mit Farnen und Grasbüscheln, Ingwer,
Pandanus, Kakteen, Eukalyptusbäume und Kiefern
vor, an den Hängen wachsen Lilien, genannt Lily.
Häufiger Nebel und sogar Regen erschaffen diese
Oase. Schon im 18. Jahrhundert bauten die Royal Marines
ein Tunnelsystem mit Wasserleitungen vom Berg abwärts
ins trockene Flachland. Auf der Höhe erblicken
wir Schafe und Hasen und auf den Serpentinen abwärts
begegnet uns am Straßenrand der „Red Necked
Francolin“, der einem Huhn gleicht.
tropischer Regenwald am Green Mountain
Auch Esel
gehören zum Straßenbild von Ascension.
Unübersehbar
ein Kommunikationsknotenpunkt
ist der Nordwesten der Insel. Statt eines Nadelwaldes
gibt es hier einen Antennenwald, gebaut auf Vulkangestein.
Unser Weg führt weiter zur English Bay, Comfort
Hess Bay und zur Clarence Bay.
Stopp! Fast hätten wir ihn übersehen, den
Golfplatz. Er ist als solcher auch kaum zu erkennen,
würden
nicht Fähnchen auf dem „Grün“stecken.
Wahrscheinlich heißt das „Grün“ hier
anders, vielleicht sandy circle, es ist so wenig grün
wie das „Fairway“ - nichts ist grün,
das ganze Gelände ist ein Sandplatz aus braunrotem
Vulkangestein. Rasen mähen ist hier jedenfalls
nicht möglich oder nötig.
An den
Stränden treffen wir auch keine Badenden
an, nur Sandhügel an Sandhügel fallen uns
auf, alle sind zirka 70 Zentimeter hoch und zwischen
den Hügeln verlaufen Spuren, wie von Geländewagen. Über
die seltsamen Spuren und Hügel erfahren wir morgen
mehr, bei der Turtle Abendexkursion, geleitet vom observation
office.
Turtles - oder die Suppenschildkröte.
Eine Ewigkeit, 150 Millionen Jahre haben die Reptilien überlebt.
Sie drohten erst auszusterben, als der Mensch sie als
Nahrung entdeckte. Seit der Entdeckung der Insel im
16. Jahrhundert werden die Schildkröten „geerntet“ und
als Schiffsproviant verwendet. Auf den Schiffen konnten
die lebenden Schildkröten monatelang ohne Wasser
und Nahrung auskommen, also ideal geeignet als Frischfleisch.
Als kulinarische Spezialität wurden sie regelmäßig
nach England verschifft - für die Suppentassen
der Königlichen Familie. Die Firma Lacroix in
Frankfurt (Deutschland!) verarbeitete noch im Jahr
1959 zweihundertfünfzig Tonnen Schildkrötenfleisch
und füllte es in Dosen als Feinkostsuppe. Seit
1988 nun sind die Schildkröten durch das Washingtoner
Artenschutzabkommen geschützt und die Population
konnte wieder anwachsen. Mit 4000 weiblichen Schildkröten,
die in Intervallen von 3 bis 4 Jahren ihre Eier auf
Ascension ablegen, befindet sich auf der Vulkaninsel
die zweitgrößte Population im Atlantik.
Zwischen Dezember und Mai ist die Brutsaison der Schildkröten
Wie wir selbst von Bord aus beobachten konnten, paaren
sich die Schildkröten im Wasser vor dem Sandstrand
und stören sie sich in keinster Weise an den
ankernden Segelbooten. Eher umgekehrt, wir halten
uns mit Schwimmen zurück und beobachten die
250 Kilogramm schweren Riesenreptilien lieber von
Deck aus.
Die 25
Jahre alten erwachsenen Schildkröten haben
eine lange Reise hinter sich, sie sind von der Nordostküste
Brasiliens 1250 Meilen weit über den Ozean geschwommen,
um an der Küste von Ascension ihre Eier abzulegen.
Den Wellen und Brechern unterwegs trotzen sie mit ihrem
stattlichen Gewicht. Die große Gefahr unterwegs
für sie sind aber die Netze der Fischer.
Was treiben die Turtles bei Vollmond?
Nach Sonnenuntergang, die Luft hat sich etwas abgekühlt,
der helle Vollmond beleuchtet uns (ein paar Segler
und unsern Guide) eine eigentümliche Szenerie
am Strand. Gespenstische dunkle Schatten bewegen sich
gemächlich vom Wasser über den Strand. Es
sind Riesenschildkröten, designed für das
Leben auf See. Durch den Sand müssen sie sich
mit viel Mühe langsam und schwer atmend hoch schleppen,
sie hinterlassen eine tiefe Spur – ähnlich
eines Geländewagens- zu dem Platz hin, wo sie
einmal geboren wurden, um dort ihre Eier im warmen
Sand abzulegen.
Zwischen Hunderten von Hügeln,
fast der ganze Strand ist schon belegt, finden sie
noch ein weiteres Plätzchen – Sand fliegt,
eine harte und langwierige Arbeit beginnt. Ist die
Schildkröte noch beim Graben, fühlt
sie sich schnell gestört und es kann passieren,
dass sie unverrichteter Dinge zurück ins Meer
flüchtet. Deshalb führt unser Naturschützer
seine Gruppe an ein Nest, wo die Schildkröte schon
begonnen hat ihre vielen Eier abzulegen. In diesem
Stadium lässt sich die Turtle nicht mehr stören,
sie ist wie in Trance.
Wir sitzen bei Mondlicht im
warmen Sand und beobachten das Eier-Lege-Ritual, das
sich genau so schon seit 200 Millionen Jahren abspielt.
Mit einer Rotlichtlampe beleuchtet unser Guide die
nächtliche Szene.
Als alle 100 golfballgroßen
Eier gelegt sind, beginnt das Tier das Loch über
den Eiern mit seinen Flossen geschickt zuzuschaufeln,
verdichtet es, schaufelt weiter.... und zum Schluss
häufelt die Schildkröte noch einen Sandberg
auf, bevor sie sich wieder ins Wasser zurück schleppt,
wo die männlichen Schildkröten auf sie warten.
Fünfmal, in Intervallen von zwei Wochen, macht
das Weibchen diese Brut-Tortur. Ob sich
männliche oder weibliche Schildkröten
aus dem Ei entwickeln, hängt allein von der Temperatur
des Sandes ab. Unter 29 Grad gibt es mehr männliche
Tiere, darüber mehr weibliche. Heute sind zweidrittel
der Tiere weiblich. Nur Eine
von Tausend wird überleben und Ascension
wieder sehen.
Nach 6 bis 10 Wochen schlüpfen die kleinen baby
turtles aus, Hunderte, sie graben sich, ihrem Instinkt
folgend, während der Nacht in Teamarbeit aus dem
Sand, hinaus in eine gefährliche Welt. Eine Invasion
von kleinen Schildkröten bewegt sich vom Nest
zum Strand, aber nur wenige erreichen ihn. Sind die
Schlüpflinge morgens zu spät dran, ist die
gnadenlose Sonne ihr Feind und sie vertrocknen. Aber
auch von lauernden Fregattvögeln werden sie sofort
abgegriffen. Diejenigen die entwischen können, stürzen
sich in die angeblich sichere See und paddeln gegen
die Wellen, aber da warten schon Schwärme der
schwarzen immer hungrigen Möchtegern-Piranhas.
Die wenigen Verbliebenen, die es schaffen, sich frei
zu schwimmen, sammeln sich im „Korallen-Kindergarten“,
wo sie sich von Seegras ernähren. Wenn sie nach
einigen Jahren tellergroß gewachsen sind, wandern
sie aus an Brasiliens Nordostküste.
Die Thule Crew war vier Wochen nach uns da
und hat uns
dieses Foto von den Turtle Babies überlassen
Irgendwann,
im Alter zwischen 25 und 30 Jahren geben sie ihr leichtes
Leben auf und schwimmen die 1250 Meilen über den
Ozean nach Osten, dabei sind sie sechs Wochen unterwegs
und leben nur von ihren Fettreserven. Wie sie genau
die Stelle finden wo sie vor 30 Jahren ausgeschlüpft
sind? Keine Ahnung, Turtle Navigation! Von Tausend
Schlüpflingen wird nur eine Schildkröte ihren
Geburtsort Ascension wieder sehen. Seit mehr als 150
Millionen Jahren bevölkern Seeschildkröten
die Erde. Die Welt hat sich dramatisch geändert – Eiszeiten
kommen und gehen, Inseln erscheinen und verschwinden,
die Dinosaurier sind längst ausgestorben und die
Turtles, die gibt es immer noch. Sie haben sich an
alle Konditionen angepasst, sie haben überlebt,
seit 150 Millionen Jahren.
Eine Fahrt ins Blaue!
Abfahrt am Freitag, dem 10. Februar 15.30 Uhr.
Wir müssen los, wir leben hier in der Dünung
wie in einer Schiffschaukel. Auch das Anlanden mit
unserem Beiboot wird mit jedem Tag ungemütlicher.
Bis die Baby-Schildkröten ausschlüpfen können
wir eh nicht warten. Kurs 285 Grad nach West-Nord-West.
Wohin genau, das wissen wir immer noch nicht. Auf jeden
Fall wird es mal wieder ein langer Schlag. Mindestens
10 Tage lang werden wir kein Land sehen. Unser einziger
Trost, der Vollmond wird uns leuchten. Bis der Vollmond
aufgeht steht ein gigantischer Sternenhimmel über
uns, eine friedliche schöne erste Nacht, bei
gemütlichem Südostwind mit 4 Beaufort.
So kann es weiter gehen.
Momo läuft mit fünf
Knoten unter Passatsegeln und der Seegang ist nicht
schlimmer als am Ankerplatz.
Tag 2:
Funk mit Hank, der auf dem Weg in die Karibik ist.
Wir hören, dass die SY Thule in Cape Town
gestartet ist. Bordzeit umgestellt: UTC-1 Stunde. In
der Nacht haben wir einen schwarzen Steuermann an Bord,
ein schwarzer Vogel sitzt auf der Bank hinter dem Steuer.
Schön, Gesellschaft zu haben. Leider scheißt
er alles voll.
Gegen 4.00 Uhr in der früh fliegt
ein fliegender Fisch in den Salon und verpasst dabei
ganz knapp den Herd – der stinkt vielleicht.
Einen fliegenden Fisch noch lebend wieder über
Bord zu werfen ist nicht möglich, nach wenigen „Flossenzapplern“ verendet
sofort und fängt gleich an zu stinken.
Tag 3:
nichts Besonderes. Routine an Bord. Unser Etappenziel
steht jetzt fest, Uwe will die brasilianische Insel
Fernando de Noronha anzulaufen, um dann in die Karibik
weiter zu segeln.
Tag 4:
Immer noch Südost mit 4 Beaufort. Ein
fliegender Fisch kommt durch das Oberlicht in den Salon
geflogen, platscht auf den Boden, zappelt kurz und
stinkt. Es gibt Semmelknödel und Kraut. Ein richtiges
Menü. Das Kraut ist noch aus Südafrika und
die Knödel aus altbackenem Weißbrot aus
Namibia und St. Helena. Der Skipper hat starke Schmerzen
in der Schulter. Nachts steuert wieder der schwarze
Vogel. 446 Meilen liegen im Kielwasser.
Tag 5:
Der Südostwind legt auf 5 Beaufort zu
dazu gibt es Squalls. Zum Mittagessen gibt’s
das beste Essen was die Bordküche her gibt: weiße
Bohnen in Tomatensoße. Unsere kostenlose Fähre
hat sich unter den Vögeln rum gesprochen, heute
Nacht fahren zwei blinde Passagiere mit. Einer balanciert
unermüdlich krächzend auf dem Solarpaneel,
der Zweite macht es sich auf dem Großbaum gemütlich.
Schön bei so viel Gesellschaft durch die Nacht
zu fliegen.
Tag 6:
Wind Südost 4 bis 5 Beaufort, sonnig und
heiß. Die Schulter vom Skipper ist besser. Thule
ist unterwegs von Lüderitz nach Walvisbay, wir
sind mal gespannt, wann sie uns mal wieder einholen.
Die Schlafplätze unserer Vögel heute: der
Rettungsring und das rutschige Solarpaneel.
Tag 7:
wahnsinnig heiß und schwül, abends
zieht ein Gewitter auf, darauf folgen Squalls mit Regen
und ständigem Wechsel der Windstärke. Wir
sind beschäftigt mit ein- und ausreffen, auch
in der Nacht. Um 4.30 Uhr frühmorgens sehen wir
das erste Schiff seit unserer Abfahrt auf Ascension.
Tag 8:
Mittags findet um Momo eine kleine Delfinshow
statt.
Mehr als Hundert Tiere springen wie toll aus
dem Wasser, drehen Saltos schauen mit einem Auge hoch
zur Momo, aber nach zehn Minuten müssen sie weiter.
Schon wieder Büchsenkost zum Mittagessen, Uwe
hätte gerne mal wieder Fisch gegessen aber leider
beißen die Fische nur seine Plastikköder
ab – wohl bekomms. Momo läuft den ganzen
Tag schon 6 Knoten schnell. Mit diesem Tempo berechnen
wir, erreichen Fernando de Noronha bei Dunkelheit.
Die Sorge erledigt sich, denn in der Nacht „verhungert“ die
Momo in der Flaute und wir werden von Meile zu Meile
langsamer, die Segel killen.
Tag 9:
Jetzt wird es richtig nass und ungemütlich,
Wind, Regengüsse, Flaute – in ständigem
Wechsel. Ups – da ist ja plötzlich ein Schiff,
keine halbe Meile vor uns quert und glättet es
die See. Die"Hannah Schulte" war das, sagt uns das
AIS. Wir nützen eine längere Regenphase um
eine Süßwasserdusche zu nehmen – hoffentlich
hält der Regen durch, bis das Shampoo abgespült
ist!? Bei jedem Regenguss müssen wir die Oberlichter
und die Bretter am Niedergang schließen. Am Horizont
beobachten wir eine Wasserhose. Der Wirbelwolkenschlauch
zwischen Wasseroberfläche und Wolke löst
sich zum Glück wieder auf. Eine anstrengende Nacht
folgt wieder, aber zum Glück die Letzte – auf
dieser Etappe.
Tag 10:
Um 5.00 Uhr morgens, der Skipper hat Wache, kommt Land
in Sicht. Eine Stunde später sehen wir
eine geniale Silhouette aus dem Ozean ragen, eine Felsnadel,
gleich einem Phallus! Wir sind
angekommen, am 1015ten Tag seit unserer Abreise!
Auf Fernando de Noronha fällt unser Anker um
7.50 Uhr nach 1139 gesegelten Meilen. Um diese Zeit
gibt’s
Frühstück statt Anlegerbier. Die Plätze
hinter der geschützten Steinmauer sind leider
den Fischerbooten, Ausflugs-, und Versorgungsschiffen
vorbehalten. Wir liegen draußen in der Baia Porto
de Santo Antonio und brauchen uns nicht zu wundern,
dass wir schon wieder ungemütlich im Schwell liegen,
so ein massiger Vulkanberg mitten im Ozean stört
die Meeresströmungen gewaltig.
Fernando
de Noronha, Brasilien auf 03°54' Süd
und 032°25' West
Die Inselgruppe
ist durch einen Vulkanausbruch vor 12 Millionen Jahren
entstanden. Sie liegt 290 Seemeilen
nordöstlich von Recife am brasilianischen Festland
und besteht aus einer Hauptinsel, 13 Inselchen, 8 Klippen
und besitzt die schönsten Stränden Brasiliens.
17 Quadratkilometer Landfläche mit dem 323 Meter
hohen Krater des Morro do Picco erheben sich über
den Meeresspiegel und unter dem Meeresspiegel, auf
4000 Meter Tiefe, liegt der Fuß beziehungsweise
die Basis des Vulkans. Besiedelt ist die Inselgruppe
seit 400 Jahren, unterstand dann bis 1987 dem brasilianischen
Militär und war für Touristen gesperrt.
Momo
klariert in Brasilien ein.
Am Sonntag, dem 19. Februar, nach dem Frühstück
und anschließendem kurzen Erschöpfungsschlaf,
(normalerweise schläft man erst und dann kommt
das Frühstück, aber an Bord ist nichts normal)
booten wir unser Dinghy aus. Uff ist das heiß hier.
Hinter der Steinmole betreten wir die Urlaubsinsel
mit dem sanften Tourismus. Die Besucherzahlen sind
beschränkt auf 500 Touristen pro Tag – aber
wenn jetzt noch zwei Segler ankommen? Zu unserer Überraschung
bietet der Hafenmeister uns als erstes Kaffee und eine
Bisquitrolle an. Es
wäre unhöflich abzulehnen. Solange wir Kaffee
trinken und Kuchen essen ruft er, obwohl heute Sonntag
ist, die Zoll- und Immigrationsbeamten an. Bequemer
für uns geht’s nicht mehr und schnell sind
alle Formalitäten erledigt. Günstig wird
unser Aufenthalt aber nicht, 689,73 Reais müssen
wir für drei Tage bezahlen (Taxe dé Ancorge
pro Tag 172,31 Reais, Taxa dé Preservação
pro Tag 86,40 Real – wir bezahlen für drei
Tage 689,73 Brasilianische Reais, umgerechnet über
250 Euro. Wir besitzen aber kein brasilianisches Geld. Für den Hafenmeister
ist
das kein Problem, er leiht uns 20 Reais, die können wir ihm morgen zurück
geben.
Viele, viel Reais kostet der kurze Aufenthalt - der teuerste Platz der Reise
Auf Fernando
de Noronha fährt man mit Buggies.
Mit dem Taschengeld nehmen wir den Bus zum Flughafen,
denn nur dort gibt es einen Geldautomaten. Während
der Busfahrt gewinnen wir gleich den ersten Eindruck
vom Inselleben. Auf der Straße begegnen uns
fast ausschließlich bonbonbunte offene Buggies,
mit Surfbrettern beladen, gefahren von fröhlich
ausgelassenen jungen Leuten.
Auf dem
Rückweg vom Geldautomaten steigen wir
im 3000 Einwohner zählenden Hauptort Vila dos
Remédios aus. Das Städtchen liegt am Hang
vor der Praia do Cachorro. Malerisch säumen alte
Gebäude, eine Kirche und einige Bistros die kopfsteingepflasterte
steile Hauptstraße. Auf der schattigen gemütlichen
Terrasse des Cassimba Bistrot testen wir die brasilianische
Küche und trinken ein kühles Bier.
Das Maximum
an Kleidung sind knielange Surfshorts, man trägt
Flip Flops an den Füßen und ein Surfbrett
unter dem Arm. Es ist nicht zu übersehen, man
geht nach Fernando de Noronha zum Surfen und Tauchen.
Gilt der Inselarchipel doch als Tauchspot Nummer 1
in Brasilien und weltweit gehört er zu den Top
5.
Seit 1988
gehört die geschützte Meeresfläche,
der Marinepark, im Inselarchipel wegen seiner Artenvielfalt
dem UNESCO Weltnaturerbe an. Die Taucher finden im
glasklaren Wasser eine reiche Unterwasserwelt mit Delfinen
und Meeresschildkröten.
Die hügelige Landschaft, Klippen und Steilwände
machen die Zugänge zu den Stränden und Ufern
nicht so einfach. Erst per Anhalter in einem Buggy
und dann weiter mit einem Taxi lassen wir uns den holprigen
Weg hinunter zur Praia da Cacimba kutschieren.
Hang-Loose
So nennt man die Brasilianischen und Internationale
Surfmeisterschaften. Diese werden am Surfstrand Praia
da Cacimba do Padre ausgetragen, wo hawaiianische
Verhältnisse für das aufregende Wellenreiten
herrschen. Wie man bei uns daheim zum Schifahren
geht, so gehen die jungen Leute hier zum Surfen.
Auch ohne Meisterschaften ist heute Einiges geboten.
Im 26 Grad warmen Wasser warten die Surfer auf die
perfekte Welle – vielleicht ist es die nächste
oder die nächste – stundenlang schauen
wir den Unermüdlichen in sengender Hitze zu.
Drink bei Bubble
An unserem letzten Abend sind wir und noch ein junges
Seglerpaar aus Schweden auf der "SY Bubble" eingeladen.
Im Ölzeug fahren wir bei strömendem Regen
mit unserem Schlauchboot zur Bubble. Aufgereiht auf
dem Salontisch wartet Hochprozentiges: Rum, Gin,
Whisky, Punsch, halt alles was Prozente hat. Ein
ganz junges, unbeschwertes Bubble Team, die sich
blendend vertragen: Alex der Skipper und Eigner ist
Amerikaner, gebürtiger Pole und seine Crew hat
er unterwegs aufgelesen, wie Diego aus Galapagos.
Sorgen scheinen die jungen Leute nicht zu haben.
Beim lustigen feuchtfröhlichen Abend, sieht
man die Sache mit dem Motorschaden auf „Bubble“ und
dem Schiff der Schweden locker. Nur unter Segel wollen
sie das Festland von Brasilien, vielleicht Fortalezza
anlaufen.
Alex, den Bubble Skipper kennen wir schon seit Südafrika
Diego aus Galapagos mit der Momo Crew!!!!!!
Mit einem
Löffel Erdnussbutter
füttert uns „Bubble“-Skipper Alex
noch zum Abschied, das dichtet ab! So locker wären
wir nicht in deren Situation, aber man weiß sowieso
nicht was kommt, warum sich Sorgen machen? Wir schätzen
uns glücklich, unser Sir Perkins läuft, das
Rigg ist neu und die Momo ein seetüchtiges Schiff.
Morgen geht’s Richtung Karibik, mit Zwischenstopp
auf der Isle de Salut vor Französisch Guyana.
Dann ein bisschen Inselhopping in der Karibik und sobald
ein stabiles Wetterfenster aufgeht weiter zu den Azoren
und im Juli wollen wir mit Momo wieder in Europa sein.
So der Plan.
Abschied von Fernando de Noronha
Momo nimmt Kurs auf die Inselgruppe Ile du Salut, auch
Teufelsinsel oder Insel der Verdammten genannt.
Vor uns liegen ca. 1300 Seemeilen, erneut 8 - 10 Tage
auf See!
Dienstag, 21.,Februar
11.30 Uhr Anker auf. Ein sonniger heißer Tag,
der Südostwind bläht unsere Twinsegel auf
und Momo macht über 6 Knoten Fahrt, die Strömung
schiebt zusätzlich mit einem Knoten. Wir fahren
einen Kurs von 273 Grad und passieren, mit angemessenem
Abstand in der Nacht die Spitze eines Unterwasser Gebirgsrückens,
das Atoll das Rocas. Das Atoll gehört auch zum
Weltnaturerbe dank seiner reichen Meeresflora und Fauna.
Auf dem Atoll trifft sich die größte Kommune
der Seevögel vom ganzen Westatlantik.
Eine Störung
im Wellenbild
entdecken wir früh morgens. Wir trauen unseren
Augen nicht. Eine Delphinwelle bewegt sich direkt auf
uns zu! Hunderte von Tieren scheinen einen gemeinsamen
Ausflug zu machen. Vielleicht kamen sie aus der Baia
dos Golfinhos, der Bucht auf Fernando de Noronha, denn
dort soll die weltweit größte Ansammlung
von Delfinen leben. Eine lebende Welle – Wahnsinn.
Tag 2:
Südost-Wind 4-6 Beaufort. Wir arbeiten
wieder in Nachtschichten. Derjenige der schlafen muss,
kann nicht. Also sind wir morgens beide unausgeschlafen.
Momo läuft ohne Pause vor dem Südostwind
und mit der Strömung über 7 Knoten schnell.
Die Topographie des Meeresbodens macht sich am chaotischen
Seegang bemerkbar – Momo auf Gebirgstour! Unter
uns befinden sich gewaltige sea mountains. Nur 86 Meter
unter der Wasseroberfläche befindet sich ein Hochplateau
und dann wird es noch knapper, die Bergspitze liegt
nur noch 18 Meter unter der Wasserlinie.
Chaotischer
Seegang und dicke Squalls mit über 30 Knoten Wind
halten uns ständig auf Trab. Und dann will der
Skipper auch noch angeln. Ich will aber keinen Fisch,
schon gar keinen kochen. Ich versuche die Anglerkiste
ordentlich einzuräumen, was mir nicht gelingt,
Köder und Haken fliegen durch das Cockpit im Rhythmus
der See. Das passt dem Skipper nicht, vielleicht ist
er auch nur maulig wegen seines Anglerpechs. Unser
Etmal beträgt heute immerhin 161 Seemeilen.
Tag
3:
Ein Riesensquall mit 8 Beaufort Wind leitet den
neuen
Tag ein. Regen, Windböen, kurze Flaute,
dann wieder schlagartiger Winddruck auf die Segel.
Bevor die Windböen Momo erreichen, müssen
wir die Segelfläche verkleinern, also reffen.
So geht’s den ganzen Tag. Wir beobachten ständig
die Wolkenformationen, reffen ein, reffen aus und machen
dabei 8 – 10 Knoten Fahrt.
23.00 Uhr, ich bin gerade eingeschlafen, da weckt mich
der Skipper mit der frohen Botschaft, dass wir unsere
Passatsegel wegnehmen müssen, da der Wind plötzlich
von Südost auf Nordost gedreht hat. Fein, Schwimmweste
anziehen, Stirnlampe aufsetzen und raus in die Nacht.
Eine Stunde später muss ich wieder versuchen zu
schlafen. Unsere drei Blinden Passagiere, die sich
auf eine gemütliche Nachtfahrt auf dem Großbaum
eingestellt hatten, haben wir mit der Aktion verjagt.
Fliegen sie jetzt durch die Nacht oder sitzen sie dösend
auf den Wellen?
Tag 4:
immer noch Nordost, aber recht schwach mit 3 bis
4 Windstärken.
Momo segelt vorlicher als Halbwindkurs. Von stürmischen
Windböen und Winddrehern bleiben wir heute verschont.
Laut Wetterkarte liegt die ITCZ, die für
die starken Windböen verantwortlich ist, fünfzig
Meilen südöstlich von uns. Wir hoffen, dass
wir sie hinter uns gelassen haben. Fortalezza liegt
jetzt
quer ab am brasilianischen Festland. Während meiner
ersten Lieblingsnachtwache beschäftigt mich ein
Licht von achtern, das AIS meldet nichts, also beobachten,
dabei Erdnüsse knabbern und Cola trinken. Normal
ein verpöntes Menü, aber in der Nacht auf
dem Ozean braucht man diese Kalorien. Im Notfall tuts
auch Schokolade.
Auf seiner Wache nimmt der Skipper
die Maschine zur Verstärkung, der Wind ist zu
schwach und außerdem bremst uns ein Gegenstrom,
der hier eigentlich gar nicht sein sollte. Aber wo
ein starker Strom läuft gibt es auch immer wieder
Stromwirbel und in so einem stecken wir jetzt drin!
Also brummt
der Perkins, die Crew steckt sich zum Schlafen
Oropax
in
die Ohren.
Was wohl
nach
der
Flaute
kommt - bestimmt nicht Rechtes.
Tag 5:
Machtkampf des Nordost- und Südostpassats.
Der Nordost verliert gegen den Südost, aber dann
gewinnt wieder der Nordost. Die ständigen Wechsel
bescheren uns einen völlig konfusen Seegang. Dazu
wechselt der Gegenstrom wieder in Schiebestrom. Momo
führt sich auf wie ein wildes Pferd.
Die ITCZ
Wir tanzen nach den Launen der Intertropical Convergence
Zone, kurz ITCZ, auch bekannt unter dem Kalmengürtel
oder Doldrums. Es handelt sich um eine 50 bis 300
Meilen breite Tiefdruckrinne in Äquatornähe.
In dieser Zone treffen die Passatwinde von Nord-Ost
und Süd-Ost aufeinander. Starke Quellbewölkung,
stürmische und stark drehende Böen, unterbrochen
von Windstille, Platzregen und Gewitter sind die
Folge. Die Tiefdruckrinne wandert und verändert
sich mit den Jahreszeiten und leider auch von Tag
zu Tag.
Wir fahren zwei Mal gerefft, der Wind pfeift. Unter
uns ein Plätschern und Gurgeln, gewaltige Wellen
klatschen gegen den Rumpf. Alle Luken müssen
geschlossen bleiben, weshalb im Schiff unerträgliche
Schwüle herrscht. Dieses „Segeln“ kann
sich kein Nichtsegler vorstellen.
Mit Beginn der Dunkelheit und der ersten Wache folgen
Schauer. Segeln ist ja auch ein Wassersport. Gefahren
sind wir schon 700 Meilen.
Tag 6: Sonntag 26. Februar.
Die Entscheidung
Überraschung! Als ich morgens um 8.00 Uhr aus der Koje
wanke, überrascht mich der Momo-Skipper mit einer
Kursänderung. Den Kurs direkt auf St. Lucia zu
stecken wäre günstiger, als weiter am brasilianischen
Kontinentalschelf entlang zu segeln. Bis zum Zwischenstopp
auf der Isle de Salut wären es noch 500 Meilen,
und dann müssten wir wieder Ein- und Ausklarieren.
Das könnten wir uns doch sparen, Inseln haben
wir ja schon genug gesehen und nach St. Lucia sind
es n u r noch weitere 1340 Seemeilen. Eingeschaukelt
sind wir inzwischen auch schon, Verpflegung, Wasser
und Diesel ist noch genügend an Bord, also kommt
es auf die paar weiteren Seemeilen nicht mehr an. Auf
diese Überraschung muss ich nochmal ausschlafen
und Kräfte sammeln, bis die nicht auszubleibenden
starken Windböen meine Mithilfe an den Winschen
erfordern. Nach dem ersten Schock freue ich mich jetzt
auf die Karibik, speziell auf St. Lucia, wo wir vor
mehr als drei Jahren, genau am 10. Dezember 2009 nach
18 Tagen Atlantiküberquerung, in der Rodney Bay
eingelaufen sind. Dann gibt’s Rumpunsch – auf
nach St. Lucia!
Um 10.53
Uhr segeln wir über den Äquator.
Der Wolkenhimmel lässt keine Laune für eine Äquatortaufe
aufkommen, schon gar noch auf einen gemütlichen
Drink. Ist die dunkle Wolkenwand des Squalls erst mal über
dem Schiff, schlagen auch schon die Böen gnadenlos
zu. Selbst das einfachste Essen zubereiten ist Sklavenarbeit,
muss aber sein, wer weiß, was noch auf uns zu
kommt. Ein heißer Ritt, wir laufen jetzt 300
Grad, hoch am Wind, zweimal gerefft. Nur gut verkeilt
in Polster und Kissen findet man bei dem Geschaukel
und bei der Schräglage eine Schlafposition. Uwe
scheint aber während seiner Freiwache fest zu
schlafen, er träumt, dass er mit seinem P f e
r d Momo zum Einkaufen auf den Markt reitet. Dort angekommen
muss er es (die Momo) aber vor anderen Pferden beschützen!??
Tag
7 Kurs 318 Grad - St. Lucia
Morgens Südost mit 5 bis 7 Windstärken im
ständigen Wechsel. Die Segelyacht Momo galoppiert
mit 3 (drei!) Reffs im Großsegel mit 7 Knoten über
den Ozean. Der Wolkenhimmel ist heute unberechenbar,
wir können kein System erkennen, mal flaut der
Wind kurz ab, es schüttet, dann braust der Südost
wieder los, in den Böen bis 30 Knoten - und dann
das gleiche Spiel von vorn. Die ITCZ, die wir geglaubt
hatten hinter uns zu haben, hat uns wieder eingeholt
und ist jetzt wieder über uns. In ein paar ruhigeren
Momenten habe ich angefangen einen Brotteig zu kneten,
jetzt muss ich die Quälerei zu Ende bringen. Backen „Hoch
am Wind“ ist eine Quälerei, Akrobatik und
brandgefährlich. Herrlich schmeckt uns aber das
frische „Hoch am Wind Brot“, es baut auf
für die kommende Nacht.
Zu Bruch gegangen ist
heute Nacht eine Stirnlampe, jetzt haben wir nur noch
eine. Uns geht’s ordentlich, den Umständen
entsprechend, wie auch dem erschöpften Vogel,
der zehn Stunden lang unentwegt auf der Reeling über
dem Schleppgenerator fest gekrallt saß, und den
ständig überkommenden Salzwasserduschen getrotzt
hat. Morgens putzt er sich das Gefieder und fliegt
einfach weiter. Hat er das Schiff in die richtige Richtung
genommen – wir steuerten 318 Grad?
Tag 8 Die Itcz schlägt voll zu
Südostwind 4 – 5 Beaufort mit ständigen
Böen und Schauern. Leider muss ich mich seit Tagen
wiederholen. Böse, böse Wolken. Uwe ist mal
wieder angeleint zum Kontrollgang auf dem Vorschiff
unterwegs. Um 15.00 Uhr erwischt uns eine Hammerbö mit
35 Knoten Wind. Aus einer recht harmlos „getarnten“ Wolke
erwischt sie uns eiskalt. Jetzt rollen wir auch noch
den Klüver komplett weg. Abends huschen kleine
Delfine an uns vorbei, sie haben keine Lust auf Kunststücke,
ganz eilig ziehen sie weiter. Wir sind voller Hoffnung,
es sieht so aus, als würden die Wolken zusammenfallen,
wäre schön für die Nacht – aber
nein, immer mehr, immer gewaltiger brauen sie sich
zusammen.
In der Nacht fahren wir dauerhaft gerefft, das Passatgebläse
schaltet auf und ab von 24 auf 35 Knoten Wind und das
wird jetzt auch unserem Steuermann Johannes, der Windfahne
zu viel. Anton, unser Autopilot, muss jetzt ran. Wacker
hält er seinen vorbestimmten Kurs. Wir haben
es nicht oft gebraucht in den vergangenen drei Jahren,
aber wenn, so wie heute, dann ist es unverzichtbar – unser
absolut wasserdichtes Ölzeug. Die Gischt zischt über
das Vorschiff und das Cockpit. Wir haben das Blauwasser
nicht nur unter uns, auch über uns. Etmal 161
Seemeilen, wenigstens kommen wir vorwärts.
Tag 9
Mittwoch 29. Februar
keine Wetterberuhigung, der Südost hat auf Ost-Südost
gedreht und treibt Momo zu Höchstleistungen an,
trotz minimalem Tuch läuft das Schiff mit 7 Knoten.
Ausnahmezustand herrscht im Salon, Salzwasser auf dem
Boden lässt sich nicht mehr vermeiden, ständig
stapfen wir mit triefendem Ölzeug und Gummistiefeln
den Niedergang rauf und runter, dazu nasse Handtücher,
Bodenlappen, Büchsenbohnen, Flugobjekte. Schwapp
- durch das geschlossene kleine Fenster in der Achterkoje
schwappt eine Eimermenge voll Salzwasser herein. Auch
das noch aufputzen – wenn mir nur nicht schlecht
wird.
Wir versuchen im Wechsel zu schlafen oder wenigstens
zu entspannen. Wache heute von 19.00 bis 23.00Uhr die
Crew, also ich, von 23.00 Uhr bis 3.00 Uhr der Skipper.
Wie war die Wettervorhersage eigentlich?
Supergau
Die Nacht vom Mittwoch auf Donnerstag dem 1. März
Nachtwache Brigitte: ohne besondere Vorkommnisse. Ost-Südost-Wind
mit 6 bis 7 Beaufort, die See ist grob und über
drei Meter hoch. Ich gebe ab an den Skipper und verschwinde
in die warme Koje, verbarrikadiere mich mit Kissen
und Polstern. Auch wenn es schwer fällt, ich muss
schlafen, denn um 3.00 Uhr beginnt meine neue Wache.2.30
Uhr: Plötzlich – Rummms – gefolgt
von Stille...... gespenstischer Stille
Erschreckt fahre ich aus dem Schlaf – sind wir
irgendwo drauf gefahren? Uwe steht im Ölzeug im
Salon, er kommt gerade vom Nachjustieren der Windfahne. „Nein“,
sagt er gefasst - „das Rigg“. Der Skipper
steigt den Niedergang hoch und sieht die Katastrophe
bestätigt. Ein grauenhafter Anblick – ein
freier Blick über das Deck. Momo ist enthauptet,
kein Mast, keine Segel sind mehr zu sehen. Aber kein
Aufschrei entfährt uns, nur der Atem
hat kurz ausgesetzt, um unser Herz klammert sich eine
Faust und trotz der Katastrophe oder gerade wegen der
Katastrophe, gibt es keine Panik, keine Hektik. Auf
Position 05°26'11'' Nord und 50°33'84'' West
ist die Katastrophe passiert, ich notiere sie ins Logbuch.
„Jetzt Ruhe bewahren, auf keinen Fall darf einer
von uns über Bord fallen“
So die ersten Worte des Skippers. Ölzeug und Schwimmwesten
mit Sicherheitsgurten haben wir in Windeseile angezogen.
Der zweite Satz von Uwe: „Ich brauch den Wantenschneider“.
Ein Handgriff in den Schrank neben dem Niedergang und
schon drücke ich ihm die überdimensionale
Zange in die Hand. „Soll ich das Deckslicht an
machen“ frage ich? Ich merke sofort, dass das
eine blöde Frage war - es gibt kein Deckslicht
mehr ohne Mast.
Achterbahnfahrt mit freier Flugbahn über
den Ozean
So robbt Uwe am Sicherheitsgurt gesichert am Strecktau
bäuchlings übers Deck, bewaffnet mit Messer
und Wantenschneider. Auf seinem Kopf hat er die letzte
noch funktionierende Stirnlampe, zwei Stirnlampen
sind uns schon kaputt gegangen seit Südafrika.
Ich installiere zusätzlich am Heck unseren 12
V Strahler und für kurze Zeit leuchtet noch eine
weiterer starker Akku-Strahler. (Von Aldi, er tut auch
schon seit 3 Jahren immer wieder seinen Dienst.)
Kleines
Edelstahltoggel verursacht Komplettverlust des Riggs!
Der Mast ist an der Backbordseite über Deck gegangen.
Verbogen ist die Reelingstütze am Mast und abgeknickt
ist die Backbord-Reeling vom Schiff. Die Wanten hängen über
die abgeknickte Reeling in das Meer. Von Mast und Segel
ist nichts zu sehen. Wahrscheinlich treiben die Segel
unter dem Schiff und wirken als Treibanker, vielleicht
hängt der Mast auch noch an den Wanten und könnte
so auch noch an den Schiffsrumpf schlagen und ihn beschädigen.
Die Nacht ist stockfinster. Momo klatscht in den drei
bis vier Meter hohen Wellen. Uwe zwickt immer noch
die
Stahldrähte
ab. Es gibt nichts mehr zu retten. Die Schwachstelle
und gebrochen ist das Edelstahltoggel vom achteren
Steuerbord Unterwant. Das weiß Uwe ganz genau
als er nach 40 Minuten Schwerstarbeit, die nur mit
enormem Adrenalinschub möglich war, die letzten
10 Millimeter dicken Wanten abgezwickt hat. Dieses
kleine Toggel, das die Verbindung zwischen Pütting
und Wantenspanner herstellt, ließ beim Bruch
das gesamte Rigg umstürzen. Vielleicht ist der
Mast dabei umgeknickt und dann aus dem Mastfuß gesprungen?
Wir wissen es nicht. Bei diesem Seegang ganz vor an
den Bug robben um das dicke Edelstahlwant am Vorstag
abzuzwicken, dieses Risiko will Uwe jetzt bei Nacht
nicht eingehen, die seitherige Aktion war schon gespenstisch
genug, mit dem ersten Tageslicht will er Momo vom letzten
Stag befreien.
Wantenschneiden, bei ruhigem Wetter nachgestellt
Das Toggle am Vorstag ist völlig verbogen, hat aber
gehalten
Wie konnte das passieren?
Diese Frage wird uns später und noch länger
beschäftigen.
Momo treibt
manövrierunfähig im Atlantik
in stockfinsterer Nacht.
Jetzt muss ein PanPan Ruf raus.
Um 3.15 Uhr setzt Uwe die Meldung an MRCC in Bremen
ab,
über Iridium Satelittentelefon, das wir uns für
Notfälle angeschafft haben. Seither wurde es von
uns aber nur für Geburtstagsgrüße in
die Heimat eingesetzt. Dass wir das Sat-Telefon wirklich
einmal so dringend brauchen, hätten wir nie gedacht.
Uwe gibt den Sachverhalt durch, unsere Position, Rufzeichen
und die Satelliten-Telefonnummer. Die Meldung wird über
Bremen weiter gemeldet an MRCC Cayenne in Französisch
Guyana, dem nächsten für uns erreichbaren
Festland.
Um 4.10 Uhr meldet sich MRCC Cayenne
Wir tauschen die Notfallnummern.
Die Crew packt zu der sowieso gepackten roten Notfalltasche
noch eine zusätzliche Notfalltasche: Festplatten
und Kameras, thats it!
Um 5.00 Uhr
Momo treibt, die Besatzung ist wohlauf, ruhig, aber
angespannt
Um 7.00 Uhr
mit dem ersten Licht wagt sich Uwe mit seinem Spezialwerkzeug
auf das Vorschiff und kappt das letzte Stahlseil. Kein
Wrack - nur ein komplettes Rigg versinkt jetzt im tiefen
Ozean, ein 16 Meter langer Mast mit der Elektrik, zwei
Bäume, Wanten, das Achterstag mit der Antenne
für den Kurzwellenfunk, die Rollanlage und vier
Segel. Bevor wir los fahren repariert Uwe noch notdürftig
die Schiffsreeling. Jetzt nützen wir das Iridium Telefon so richtig
aus. Unsere Kinder gilt es zu benachrichtigen. Bert
von der Heimkehr ist der nächste. Dann müssen
wir Jens anrufen, bei ihm haben wir die ESA-Versicherung
für Momo abgeschlossen, jetzt wird sich zeigen
ob wir eine gute Wahl mit der Bootsversicherung getroffen
haben.
Momo ist jetzt ein Motorboot.
Sir Perkins mit seinen 50 PS ist nicht dafür gedacht über
Hunderte von Meilen den Ozean zu durch pflügen,
auch die Konstruktion des Schiffes nicht. Ohne die
Stütze des Riggs und der Segel sind wir ein fast
willenloses Objekt und hüpfen wie ein Korken auf
dem Wasser. Aber wir sind schwimmfähig, haben
eine Maschine und sind somit nicht wirklich in Not,
n u r unkomfortabel werden die nächsten Meilen.
Nach realistischer Einschätzung der Lage haben
wir den Wunsch, die Karibik doch noch zu erreichen
begraben. Auch bekommen wir jetzt die Anweisung der
ESA Versicherung: auf Grund der Situation und der zu
erwartenden Wetterverschlechterung (was hatten wir
seither?) verlangen sie, den nächstgelegenen Hafen
anzulaufen, das Schiff reparieren zu lassen oder zu
prüfen, ob die Yacht als Deckslast auf ein Frachtschiff
verladen und nach Europa transportiert werden kann.
Neues Ziel: Cayenne die Hauptstadt von Französisch
Guayana.
An die Nordküste Südamerikas zum französischen Überseedepartement
Französisch Guayna, das zwischen Brasilien und
Suriname liegt.Die Mannschaft
wird auf Seefestigkeit geprüft.
Wir melden MRCC unsere Abfahrt und starten Sir Perkins
um 9.30 Uhr.
Inzwischen scheint die Sonne, und unsere Maschine
bringt Momo auf Kurs. Das GPS funktioniert noch und
unsere
Radaranlage, aber nur weil diese ihren eigenen Mast
am Heck hat. Die UKW Antenne ist über Bord gegangen,
aber wir haben noch eine Notfunk-UKW-Antenne als Ersatz
mit um die Welt gefahren, und die hat Uwe heute früh
auch noch provisorisch installiert. Das Wetter ist
optimal, Südost mit 4 Beaufort, keine Squalls.
Sir Perkins läuft und der Autopilot hält
seinen Kurs mit 230 Grad. Die Mannschaft wird auf Seefestigkeit
geprüft, wir waren zwar schon gut eingeschaukelt,
aber was jetzt kommt ist eine andere Nummer, körperlich
und physisch.
Ist Verlass auf Sir Perkins?
Um 18.00 Uhr erreichen wir die 2000 Meter Linie des
Festlandsockels, jetzt fällt innerhalb der nächsten
15 Seemeilen die Wassertiefe rapide um 1900 Meter.
Entlang des Sockels fährt unser Motorboot auf
einer Wassertiefe von nur noch 100 Meter - Sir Perkins – wir
legen unser Schicksal in Deine Hand.
Tag 10, Freitag 2.März
Neues Ziel
Kourou, 40 Meilen östlich von Cayenne
Zuhause hat Heimkehr-Bert eine Relaisstation eingerichtet,
er schreibt unseren Blog, über ihn laufen viele
besorgten Anrufe. Bert hat auch Kontakt zu unseren
Freunden von der SY Lison Life. Dirk und Sylvie waren
in Cayenne, sie raten uns ab, dort einzulaufen. Der
Ankerplatz weit außerhalb der Stadt, wäre
nicht geeignet für eine Reparatur, auch für
eine Verladung des Schiffes gäbe es keine Möglichkeit.
Vorschlag, wir sollten besser nach Kourou.
Wir kontaktieren daraufhin wieder unsere Versicherung
und erhalten ihr ok.
8.00 Telefonat mit Bert
8.30 Uhr Kontakt mit MRCC Cayenne
9.00 Uhr Sir Perkins bekommt Verstärkung, die
Meeresströmung schiebt mit zwei Knoten. Momo pflügt
durch Flaschengrünes Wasser, die Tiefe beträgt
nur noch zwanzig Meter.
Um 13.20
Uhr sind wir nur noch 1,25 Seemeilen von der Iles
des Diable entfernt, was ist jetzt los?
Unsere Maschine immer langsamer – jetzt steht
sie. Der Anlasser bewegt sich nicht mehr. Momo treibt,
der Strom
schiebt mit 2,5 Knoten in Richtung Felsküste.
Totenstille an Bord. War der Kampf durch die See zu
viel für Sir Perkins? Wir haben keine Zeit, die
Ursache zu suchen, wir treiben Richtung Felsen! Kommando
vom Skipper: Klar zum Ankern!
Kriechend bewege ich mich an den Bug vor zum Anker,
während die Schiffschaukel zwei Meter auf und
ab fährt. Schnell lasse ich die kompletten 70
Meter Kette ausrauschen, ein kontrolliertes Einfahren
geht nicht mehr, der Anker liegt wie er liegt – ändern
kann man nichts mehr. Die Bewegungen vom Schiff in
den Wellen und im 2,5 Knoten schnell fließenden
Strom reißen ruckartig an der Kette - ob das
wohl gut geht? Ich habe größte Sorge um
die Ankerwinsch. Uwe funkt MRCC Cayenne an und schildert
unsere neue Situation.
Rückruf MRCC. Wir werden abgeschleppt,
ein Schiff ist bereits unterwegs von der Iles de
Diable.
In der Zwischenzeit bereiten wir einen Hahnepott an
den Bugklampen vor und befestigen daran eine fünfzig
Meter lange Schwimmleine. Diese Leine haben wir um
die Welt transportiert, nicht umsonst, jetzt findet
sie ihren Einsatz. Momo bockt
und zerrt an ihrer Kette. Nun läuft
die Zeit – wird unser Anker halten bis unser
Rettungsschiff eintrifft? Unsere Nerven sind brutal
angespannt. Will da jemand unsere Grenzen testen? Endlich
sehen wir einen Katamaran um die Teufelsinsel biegen.
Er heißt Albatros und an Bord ist ein Mann: Marc,
unverkennbar ein Franzose mit einer Gitane im Mundwinkel.
14.30 Uhr unsere Rettung - Albatros
die Albatros schleppt uns um die Ecke der Teufelsinsel
Mark manövriert seinen Katamaran parallel zur
Momo. Jetzt kommt es darauf an, klappt das Manöver?
Uwe wirft Mark unseren Wurfsack zu, an dessen Leine
er die lange Schwimmleine befestigt hat – geschickt
fängt ihn Mark auf. Unser Retter positioniert
nun seinen Katamaran vor Momos Bug, jetzt muss schnell
der Anker hoch. Ohne unseren Honda Generator, der uns
dazu Strom liefert, wären wir ganz schön
aufgeschmissen. Erst jetzt kann die SY Albatros Gas
geben, im Schlepp, bei zwei Meter Wellenhöhe,
die 16 Tonnen schwere Momo.
Mark klärt uns über
Funk auf, dass er uns auf Grund des hohen Seegangs
und der widrigen Wetterbedingungen nicht in die 15
Meilen entfernte Stadt Kourou schleppen kann. Er schleppt
uns in die Ankerbucht der Teufelsinsel. Immer näher
fährt er ans Ufer der Bucht, jetzt sind wir mal
gespannt, was Marc mit uns vor hat. Verdammt dicht
am Ufer steuert die Albatros plötzlich eine Boje
an, blitzschnell macht Mark daran den Katamaran fest,
nimmt die lange Schwimmleine dicht, befestigt eine
weitere Leine am Heck von Schiff zu Schiff - jetzt
sind wir ein Päckchen. Mark stellt seine Maschine
ab und erscheint sofort wieder an Bord, in den Händen
ein kühles Getränk.
Marc ist ein super Manöver gefahren
Das tut gut – wir
bedanken uns bei unserem Retter, ein wirklich netter
Kerl, der jetzt bei MRCC Cayenne Meldung erstattet.
Mir schlottern die Knie, der Schreck, die Anspannung
und das kühle Getränk, das kein Fruchtsaft
war sondern ein Rumpunsch.
die Teufelsinsel mit der ehemaligen französischen Strafkolonie
Von Kourou zur Teufelsinsel
fahren Sightseeingboote, darunter auch der Katamaran
Albatros. Wir hatten ein ganz besonderes Glück,
dass Mark die Albatros noch nicht zurück nach
Kourou gefahren hat.
Auf den
Adrenalinschub der vergangenen Stunden folgt eine
unglaubliche Ruhe und Gelassenheit, nichts kann
uns noch schocken. Wir sind mit blauen Flecken davon
gekommen, die Reise ist jetzt wohl beendet, keine Segel,
keine Maschine – Momo fast ein Wrack. Aber das
ist heute. Morgen ist Morgen. Ich bin total aufgekratzt.
Auf den Punsch schmeckt ein köstliches Anlegerbier,
dazu gibt’s Käsepfannkuchen. Bei einer Flasche
Wein aus Südafrika hängt dann jeder von uns
seinen Gedanken nach. Was jetzt? Morgen früh will
Mark wieder kommen und mit Uwe nach dem Problem mit
der Maschine forschen.
Momo und
der Archipel der Verdammten (´Ile`
du Salut)
Die Inseln sind ein beliebtes Ziel für Touristen.
Zu sehen sind die Ruinen der ehemaligen Strafkolonie
und eine Funkstation zur Überwachung der Raketenstarts
in Kourou.
Und Momos Schicksalsinsel, ihr Weg sollte nicht an
der Insel der Verdammten vorbei gehen. Verdammt – wie
so ein verdammt kleines Toggel den Komplettverlust
des Riggs verursachen kann.
Die kleine Inselgruppe, mit der Ile du Diable, Ile
Royal und Ile Saint-Joseph, 15 km von Kourou entfernt,
ist unbewohnt und hat eine düstere Geschichte.
Bis 1951 unterhielt Frankreich hier ein Gefängnis
mit 2000 Gefangenen, unter unmenschlichen Haftbedingungen,
mit Zellen ohne Dach, so dass die Gefangenen voll dem
Regen und der tropischen Sonne ausgesetzt waren.
Der bekannteste Gefangene war Hauptmann Dreyfus, bekannt
vom Buch und Film „Papillon“ von Henri
Charrière oder die Komödie „Wir sind
keine Engel“ mit Humphrey Bogart und dann gibt
es noch ein weiteres Drama:„Flucht von der Teufelsinsel“.
Fast hätte es ein neues Drama gegeben: „Momo
zerschellt vor der Teufelsinsel“, aber das wird
nicht geschrieben. Momo wurde in letzter Minute gerettet.
Tag 11, Samstag 3. März
10.30 Uhr, die Maschine läuft - los von der Teufelsinsel.
Dass wir mit eigener Kraft Kourou anlaufen können,
hätten wir gestern Abend nicht geglaubt. Sir Perkins,
unsere Maschine schnurrt wieder. Der Grund warum die
Maschine gestern gestreikt hat war simpel. Das Geschaukel
durch die Wellen war so extrem, dass die Leitung des
Tagestanks Luft statt Diesel geschluckt hat. Uwe glaubte
jedoch an das Schlimmste, denn schon eine Zeit lang
hat er beobachtet, dass die Öldruckanzeige am
Anschlag steht. (Fortsetzung später) Jetzt laufen
wir die 15 Seemeilen auf Kourou zu, exakt durch die
betonnte Gasse, rechts und links liegen Flachs.
MRCC Cayenne nimmt wieder mal Verbindung mit uns auf
- alles klar! Wir haben die Flussmündung mit der
flachen Barre erreicht. An der Ecke des Festlandes
steht ein Hotel, weiter
kommt ein Steg – aber leider nicht für uns.
Wir müssen ankern und sind dabei in „bester“ Gesellschaft,
hier liegen noch mehr Boote ohne Mast, einige, ihrem
maroden Aussehen nach, schon seit längerer Zeit.
Neben dem betonnten Fahrwasser, fällt um 14.00
Uhr unser Anker in das schmutzig-braune Wasser des
Riviere de Kourou. Obwohl wir nur 4,50 Meter Wasser
unter dem Kiel haben, stecken wir 60 Meter Kette auf
dringende Empfehlung des Insiders Mark von der SY Albatros.
Das ist auch dringend nötig wegen der bis zu fünf
Knoten starken Strömung im Fluss, die alle 6 Stunden,
je nach Tide, mal landeinwärts, mal zur Mündung
strömt. An beiden Seiten des Flusses dehnen sich
Mangrovenwälder aus, ein Hafen mit Werft wäre
uns lieber gewesen.
Momo vor Anker im Kourou Fluß
Sonntag
3. März
Momos Position im Fluss Kourou ist 05°08'901 Nord
und 52°38'939 West.
Wir melden unsere gute Ankunft an MRCC Cayenne, auch
Bert von der Heimkehr können wir beruhigen. In
einen Begeisterungstaumel über unseren Nothafen
fallen wir aber nicht. Dagegen
fallen wir erschöpft in einen todesähnlichen
Schlaf, aber nur für zwei Stunden, die schwüle
Hitze zwingt uns an wieder Deck und gefasst gehen wir
an die Schadensaufnahme und machen Bilder für
die Versicherung. An der Backbordseite weist der Rumpf
einige Kratzer auf, die Holzreeling ist gesplittert,
der Edelstahlkorb am Bug ist verbogen und die Reeling
niedergedrückt, wie auch die Reeling am Mastfuß.
Wir entfernen noch baumelnde Wanten- und Leinenstümmel
und als wir das gebrochene Toggel in Händen halten
läuft uns ein Schauer über den Rücken.
Anschließend gehen wir an den Bau eines Sonnensegelprovisoriums,
das sehen wir momentan als Priorität eins an,
denn die gnadenlose Sonne ist nicht auszuhalten. Erst
nach Sonnenuntergang kühlt die Luft ab, aber sofort
tauchen gespenstische Fliegen auf. Das Dengue Fieber,
das die Viecher auslösen können möchten
wir nicht auch noch bekommen.
Mastbruch von Momo
Diese story ist inzwischen auch der Presse bekannt
geworden – Bert ist daran sicher nicht ganz unschuldig.
Johannes Erdmann, von der "Yacht" berichtet über die
Havarie ebenso wie Kai Köckeritz vom "Segeln-Magazin". So
erlangen wir in Deutschland eine traurige Berühmtheit,
auf die wir gerne verzichtet hätten!
Sonntag 4. März in Kourou
Um 9.00 Uhr, ewig nicht mehr so gut geschlafen, sind
wir schon mit dem Dinghy flussaufwärts unterwegs,
auf der Suche nach dem Zoll. Ein hoher Zaun versperrt
uns den Weg zum Land, das Tor geschlossen - am Sonntag
ist natürlich niemand da. Auch wenn es nicht so
aus sieht, wir sind in einem EU Land. Unser Außenborder
streikt, darf er ja auch mal, oder? Inzwischen haben
wir Gegenstrom im Fluss, dagegen kommen wir mit Paddeln
nicht an. Wir lassen uns mal wieder abschleppen!
schon wieder brauchen wir Schlepphilfe
In
die Stadt kommen wir schließlich mit den
Franzosen Alan und Marina. Sie nehmen uns mit in ihrem
Dinghy und bringen uns später wieder zurück.
Die Zwei kennen auch einen Internetladen, wo wir mails
schreiben und beantworten können und eine Werft
suchen wir auch. Wir treffen Jean Claude, morgen will
er mit uns zum Zoll fahren. Im Chinesen Laden besorgen
wir uns Baguette und Bier.
Nachmittags baut Uwe aus 8 Meter Kupferkabel eine Not-Kurzwellenantenne.
Bei Knoblauchspagetti, nach Rezept der SY Argonauta,
bauen wir theoretisch ein Notrigg. „Mât
de fortune“, wörtlich "Glücksmast",
ist die französische Übersetzung.
Uns ist inzwischen ganz klar geworden, in Kourou läuft
nichts, kein Segelmacher, kein Rigger, die Werft ist
eine Bruchbude und einen Mast finden wir auch nicht.
Nur die Regenzeit im nächsten Monat, die kommt
sicher und vorher wollen wir wieder weg sein.
Zufällig
in Kourou
Französisch Guayana ist so groß wie Österreich,
hat aber nur 200 000 Einwohner – junge - mit
einem Altersdurchschnitt von knapp 29 Jahren. 90
Prozent
des Landes ist mit tropischem Regenwald bewachsen und
90 Prozent beträgt auch die Luftfeuchtigkeit.
Kreolen, Schwarze seit der Kolonialzeit, Asiaten, europäische
Einwanderer und auch einige Indianer bewohnen das Land,
das französisches Überseedepartment
und damit Mitglied in der EU. Bekannt ist Kourou als
Weltraumbahnhof der ESA (hat nix mit unserer Versicherung
zu tun)
Günstig für die Starts der Raketen ist die
Lage am Äquator, die Ausnutzung der Erddrehung
und die Nähe des Ozeans. 1965 starteten französische
Höhenforschungsraketen, Satellitenträger
Diamant, ein misslungener Startversuch der Europa 2
Rakete, 1979 die erste Ariane und bis 2003 Ariane 4
und 5 Raketen, seit 2011 auch russische Sojus Raketen
und im gleichen Jahr wurden auch die ersten zwei Galileo
Satelliten ins All geschickt.
Für Ende März
ist wieder ein Raketenstart geplant, den Start live
beobachten zu können, wäre genial. Aber stärker
ist unser Bedürfnis Korou schnellst möglich
wieder zu verlassen. Hoffentlich machen wir mit Momo
vorher den „Abflug“.
Wie verbringen die
Momos 8 Tage in Kourou?
Verabredung am Steg mit Jean Claude, wir bringen den
Außenborder in die Werkstatt von Yamaha und
finden den Zoll versteckt hinter dem bewachten Hangar
Gelände der Ariane Raketen. Bei der Autovermietung
mieten wir uns einen Golf, wir wollen Jean Claude
nicht länger zur Last fallen und ohne Fahrzeug
vergeuden wir wertvolle Zeit. Es ist schon schwierig
genug den Fluss rauf und runter zu kommen mit der
Tide ohne Außenborder.Die Momo
auf einen Frachter zu laden scheidet aus, eine Reparatur
mit neuem Mast und neuem Rigg kann man
in Kourou auch vergessen, eher könnte man uns
hier ins Weltall schießen.
unsere Adresse in Kourou: Avenue du Generale de Gaulle
no.1
Auch sonst ist in
dem 25 000 Einwohnerdorf, deren Hauptstraße die
Avenue du Générale de Gaulle ist, der
Hund begraben. Es gibt nicht mal öffentliche Verkehrsmittel.
Wir lernen viele hilfsbereite Segler kennen, und bekommen
noch
mehr Tipps. In Trinidad oder Grenada, so kristallisiert
es sich langsam als heraus, können wir Momo reparieren
lassen. Der 16 Meter lange Mast und die Bäume
müssen aus Europa geliefert werden, ein kompetenter
Rigger muss auf der Werft sein und neue Segel müssen
genäht werden. Stahlarbeiten sind nötig,
das gesplitterte Holz an der Scheuerleiste muss ersetzt
werden, der Rumpf an backbord muss ausgebessert und
lackiert werden. Diese Reparaturen werden dauern, Monate,
dann muss auch noch sichergestellt sein, dass die Versicherung
den Standort akzeptiert, wegen des Hurrikan-Risikos.
Wir bauen einen Glücksmast (mât
du fortune)
Selbst ist der Mann. Zwischen zwei Wolkengüssen
beginnen wir mit der Bestandsaufnahme und sichten unsere
Bordmittel. Wir besitzen
noch einen brauchbaren Spi-Baum (er war an Deck festgelascht
und hat den Sturz des Riggs fast
unbeschadet überlebt), wir besitzen noch eine
kleine Fock und eine Sturmfock, dazu vierzig Meter
Spektralleine und noch genügend Ersatzschoten
und ein großes Sortiment an
Schäkel
und Blöcken )Umlenkrollen). Die unterwegs gesammelten
unterschiedlich dicken Teakholzbretter kommen jetzt
zu ihrer Anwendung.
den oberen Teakholzklotz haben wir im Suwartow Atoll
im Pazifik
gefunden - jetzt kommt er zum Einsatz als Mastfuss
Mit
diesem Bausatz und viel Kreativität und Einsatz
entsteht innerhalb einer Woche unser Notrigg. Im Großen
und Ganzen war die Sache klar, aber im Detail stellt
sich die Arbeit ziemlich kniffelig dar. Die Späne
fliegen, als wir den „bauseits“ vorhandenen
Holzklotz zum Mastfuß für den Spibaum sägen,
bohren und schleifen. Den sieben Meter langen Spibaum
gilt es nun einzupassen. Oben versehen wir ihn mit
einem Kopfbeschlag dann verspannen wir das Notrigg
und mit den Hightech-Spektralleinen.
Beim Aufstellen
helfen unsere neuen Seglerfreunde Erwin aus
Argentinien
und Chuck aus Polen.
Die Sturmfock passt,
die vorhandene Fock als Großsegel gesetzt, ist
zu groß,
deshalb bekommt sie am Hals einfach einen Knoten verpasst.
Fertig, der Glücksmast! Unser Werk kann sich sehen
lassen. Auf der nächsten Fahrt kann kein Edelstahltoggel
brechen, unsere Konstruktion wird nur von der Spektralleine
gehalten. Bei einem Bier mit Erwin und Chuck checken
wir nochmals gemeinsam die Reise unter Notrigg durch,
eventuell ein Stopp in Suriname schlägt Chuck
vor, Erwin favorisiert Trinidad für eine Reparatur,
wir haben uns für die Karibikinsel Grenada entschieden
und auch schon mit der Versicherung abgestimmt.
fast wieder ein Segelschiff, so liegt Momo im Kourou
Fluss
wir feiern das erfolgreiche Aufriggen unseres "mat
de fortune"
Der in der Werkstatt reparierte Außenborder
streikt schon wieder, jetzt paddeln wir halt oder
nehmen die Hilfe unserer Seglerfreunde an, um an
den Steg zu kommen. An Land revanchieren wir uns,
sie können dann im Auto mit fahren. Per Post
schicke ich ein Riesenpaket los – in den Finkenweg,
mit mir ganz persönlichen wichtigen Sachen.
Man weiß ja nie. Noch ein letztes Mal einkaufen
beim Super U und noch ein paar französische
Leckereien vom Bäcker, so wollen wir uns die
Reise wenigstens etwas versüßen. Den Dieseltank
und alle Kanister füllen wir in langwieriger
Arbeit auf. Auto zurückbringen. Ordnung machen.
Notfalltaschen packen. Zum ersten Mal hat der Skipper
keine Zeit und schickt seine Crew zur Abmeldung beim
Zoll, es eilt, wir müssen los, das Wetterfenster
sieht perfekt aus für die kommenden Tage.
Internet-Wettercheck
Am
Sonntag dem 11. März ist es soweit. Auf in die Seeschlacht!
Die alte Crew ist auch wieder dabei, das war nicht
sicher, aber die Zeit hat die Wunden geheilt, bis Grenada
halte ich noch durch - denke ich.
Wenn alles gut geht mit dem Glücksmast, werden
wir in ca. 6 Tagen die über 700 Meilen entfernte
Karibikinsel Grenada erreichen.
45 Minuten
vor Hochwasser, um 7.10 Uhr heißt
es Anker auf im Riviere Kourou. Unsere Notsegel sind
schon gesetzt, dekorativ leuchtet das orangefarbene
Sturmsegel und die Fock mit dem Knoten ist schon speziell,
als Windfahne dient die Baden Württemberg-Flagge.
(Windmesser gibt’s ja keinen mehr.)Die Sonne
scheint, der Wind bläst mit 15 bis
20 Knoten und in Böen bis 25.
Der Ebbstrom zieht uns mit vier Knopten über die Barre
im Kouroufluss
Wir motoren durch
die fünf Meter flache Gasse und lassen nach drei Stunden
die Isle de Salut hinter uns. Die Sorgen des Skippers
kann ich nicht mit ihm teilen, denn er sagt sie mir
nicht. Unsere Route geht nun entlang der Nordküste
Südamerikas, an Suriname und British Guyana vorbei.
Vor Trinidad an der Nordspitze von Venezuela führt
der Kurs nördlicher auf Barbados zu und die nächste
Insel ist dann auch schon Grenada.
Der Südäquatorialstrom
ist ein Hauptwasserlieferant des Golfstroms und wir
benützen ihn als Förderband. Mit seinen
Wassermassen schiebt er uns gewaltig mit – bis
zu 3 Knoten schnell. Ihr Wasser bezieht die Meeresströmung
aus dem Benguelastrom, überquert den Atlantik
am Äquator, fließt in westlicher Richtung
an der Nordost-Küste von Brasilien vorbei und
weiter nach Nordwesten zur Karibik (und dort ist
Momo aufgesprungen). Ich fürchte seekrank zu
werden, die See ist sehr grob und rollig und unserem
Segelschiff fehlt die Stabilität, trotz Notrigg.
Die Hitze wird brutal. Unser Versuch Momo als Segelboot
ohne Maschinenunterstützung einzusetzen, funktioniert
nicht, die Segelfläche ist zu klein.
das Notrigg funktioniert prima
Der Skipper
kontrolliert zum X-ten mal den Ölstand (?) und
checked unsere High Tec Wanten und Fallen Wir fahren
zwar mit drei Antriebskomponenten: Maschine, Stützsegel
und dem globalen Förderband des Äquatorialstroms,
wenn jedoch die Maschine aussetzen würde, hätten
wir wirklich ein großes Problem, aus dem ein echter
Seenotfall werden könnte. Bloß nicht
daran denken. Jede gefahrene Meile ist eine weniger – 700
müssen wir insgesamt, die Belastung für
uns Drei ist jedenfalls ist hoch.
Im Vollwaschgang
vergehen so die ersten zwei Tage und Nächte,
sie ziehen sich endlos, obwohl wir ordentlich Fahrt
machen,
5 bis 6 Knoten über Grund. ,Der Nordost-Wind bläst
mit 3 Beaufort, aber die Hitze schlaucht uns gewaltig.
Inzwischen funktioniert unser Radar nicht mehr. Das
ewige Geschaukel hat ihm das Genick, beziehungsweise
wahrscheinlich ein Kabel gebrochen. Unsere Notfunk
funktioniert prima und das Notrigg hält der
Belastung stand – noch.
Langsam vergehen auch die kommenden zwei brutal heißen
Tage. Einen Süd-Ost haben wir jetzt mit 4 Beaufort,
auch damit kommt das Rigg noch klar. Wir fühlen
uns wie Lappen in der Waschmaschine im Vollwaschgang.
Wieder kontrolliert Uwe den Ölstand. Schon wieder
Nachtwache. Halbzeit!
Der Südost legt noch weiter zu und pustet mit
sechs Windstärken in unsere „Taschentücher“.
Squalls mit Wolkengüssen bringt er mit. Bange
beobachten wir unseren Glücksmast, macht er seinem
Namen Ehre und bleibt stehen?
Am 5. Tag: Unsere Minisegel schlagen bei den Schauern und Winddrehern,
es hilft nichts, beim nächsten
heftigen Squall müssen wir unser „Großsegel“ bergen.
Immer noch folgen wir dem natürlichen Förderband,
Momo schafft 6 Knoten Fahrt über Grund und um
20 Uhr freuen wir uns: an Backbord sind die Lichter
der Karibikinsel Tobago zu sehen. Aber noch sind wir
nicht in Grenada. Die letzte Nachtwache beginnt! Wir
mobilisieren nochmals alle Kräfte und hoffen dass
morgen die Odyssee vorbei sein wird.
Grenada - endlich Tag 6: Freitag der 16. März wird zu unserem
Glückstag! Um
8.35 Uhr ist Land in Sicht. Um 11.00 Uhr läuft
Momo unter Notrigg in die Prickley Bay ein. Auf 11°59'59
Nord und 061°45'77 West, kurz vor dem nächsten
Regenschauer, fällt unser Anker.Niemand
kann sich vorstellen, welche Last von unseren Schultern
fällt. 712 Seemeilen seit Kourou, 118
Motorstunden – Tag und Nacht. Unsere Weltumseglung
endet hier nach insgesamt 33014 Seemeilen und 1041
Tagen. Vor der kommenden Hurrikan Saison wird Momo
noch nicht wieder flott sein, an ein Weiterkommen ist
also erst im nächsten Jahr zu denken.Wir sind
beim letzten Anlegerbier – der „Strom“ ist
abgedreht, Gedanken und Gefühle schwirren – da
erzählt mir der Skipper ganz nebenbei, dass der Öldruck
laut Anzeige schon seit Kourou am Anschlag gestanden
hat – aber wahrscheinlich wäre nur der Öldrucksensor
defekt, die Maschine sei ja schließlich gelaufen.
Das erklärt mir jetzt auch die unentwegten Kontrollen.
Er wollte mich nicht noch mehr beunruhigen? So ein
Quatsch! Vorbei. Vergessen. Wir schmücken
Momo mit den Flaggen aller von uns besuchten Länder.
Stolz schaukelt sie jetzt mit ihrem Glücksmast
in der Prickley Bay.
Dieses Anlegerbier haben wir uns verdient
und der Skipper ist stolz auf seine starke Crew
Wir organisieren einen Termin
für den Hardstand auf der Werft, machen Bekanntschaften
mit den Seglern in der Bucht und besuchen zusammen
mit einer Neuseeländischen Crew ein Steelband
Festival in St. Georges. Lastwagenweise werden „Blechfässer“ angekarrt,
auf denen Jugendliche, Kinder und Fastprofis ihre Musik
machen. Begeistert, unbeschwert, herrlich! Uns geht’s
wieder gut, wir sind mal wieder angekommen. Momo mit
uns und wir mit Momo, wir haben uns ganz gut zusammengerauft.
Momo kommt aus dem Wasser Jetzt hängt sie am Kran, die ganze Welt
hat sie auf eigenem Kiel umrundet!
Schadensaufnahme mit Frankie vom Spice Island Marine
Service. Viel Arbeit kommt auch auf Richard, den Rigger
von „Turbulence“ zu: Der Mast muss aus
Europa geliefert werden, Maststufen, neue Winschen,
neue Elektrik, Antennen, neue Wanten, neue Rollanlage,
sämtliche Segel (werden auf der Nachbarinsel Barbados
genäht), an der Backbordseite muss die Reeling
repariert werden, auch die Scheuerleiste aus Holz,
der Rumpf muss ausgebessert und neu lackiert werden
- in Blau. Dieses Blau gibt’s nur in Neuseeland
und muss eingeflogen werden. Die ESA Versicherung wird
den enormen Schaden übernehmen, allerdings muss
Momo hurrikansicher aufgestellt sein und der neue Mast
darf erst nach der Hurrikan-Saison aufgestellt werden – im
Oktober.
Das Leben an Bord von Momo auf dem Hardstand.
Tagsüber brennt die Sonne und nach Sonnenuntergang
brennen die Mückenstiche. Einzige Abwechslung
zwischen den Arbeiten wie aufräumen, zusammenpacken,
putzen, Wäsche waschen, Sensor suchen, Ölfilter
besorgen und vor allem mit den Leuten von der Werft
alles auf die Reihe bringen, ist die Bar „Big
Fish“. Der Big Fish liegt direkt an der Bucht,
da weht wenigstens ein Lüftchen und das Bier wird
Eimerweise ausgeschenkt. Der Eimer, gefüllt mit
Wasser und Eiswürfel, enthält drei 0,25 Liter
Fläschchen Carib-Bier. Zu Zweit brauchen wir locker
einen zweiten Eimer.
Bier eimerweise im Big Fish
Brigitte
sagt am 26. März frühmorgens mit
gemischten Gefühlen adieu zu MOMO.
Mit dem Flugzeug
und viel Übergepäck geht’s jetzt heim.
Ob Momo und ich uns jemals wiedersehen steht in den
Sternen. Uwe hat noch ein paar Wochen zu tun bis alles
soweit organisiert und Momo „Hurrikan-klar“ ist.
Er versichert mir, dass er das allein schafft. In ein
paar Wochen will er nach kommen. Wenn der neue Mast
von Momo dann im Oktober gestellt wird, will er aber
wieder dabei sein
In der Zwischenzeit wird Momo mehrere Monate allein
auf Grenada bleiben müssen. Auch an eine Weiterreise
nach Europa mit ihr ist, wegen der umfangreichen Reparaturen,
erst im kommenden Frühjahr zu denken, die Hurrikan
Saison muss vorbei sein und das passende Wetterfenster
für die Überquerung des Atlantiks kommt erst
im Mai 2013.
Am 27.
März 2012: die Crew ist zu Hause!
Zu hause bei einer Tasse Kaffee, die nicht vom Tisch
fällt, und einer schwäbischen Butterbrezel
in der Hand, lese ich den Artikel der Zeitschrift
Yacht:
Bruch auf
den letzten Meilen der Weltumsegelung: Nur etwa 200
Meilen nördlich von Französisch-Guayana
kam am 1. März 2012 der Mast der deutschen Segelyacht "Momo" von
oben. Uwe Moser kämpfte fast eine Stunde lang,
um die letzten Drähte zu kappen, dann versank
der Mast im Atlantik. Nur unter Maschine und ohne Stützbesegelung
erreichte "Momo" am 3. Mai schließlich
die Hafenstadt Kourou. Doch vor Ort gab es keine Möglichkeiten,
einen neuen Mast zu bekommen. Also baute das Paar aus
einem fünf Meter langen Spibaum, einer kleinen
Genua und einer Sturmfock ein etwa 20 Quadratmeter
Segelfläche tragendes Notrigg, um die Insel Grenada
in der Karibik zu erreichen – und damit ihren
Ausgangskurs zu kreuzen.
Vor wenigen Tagen war es nun so weit, "Momo" lief
in der Prickley Bay auf Grenada ein. "Ein bisschen
feiern wollen wir schon, auch ohne Mast", schreiben
Uwe und Brigitte Moser auf ihrer Website momos-meilen.de. "Immerhin
sind wir heil an Körper und Seele um die Welt
gesegelt, auch wenn unsere Momo ein paar Blessuren
erleiden musste." Genau 33.014 Seemeilen liegen
seit ihrer Abreise im Mai 2009 von Fehmarn im Kielwasser.
…............Wo
war es am schönsten?
Das ist die häufigste Frage die mir nun gestellt
wird. Die Frage kann ich nicht beantworten. Am schönsten
war immer das Ankommen – egal wo auf der Welt,
also die Reise an sich mit unseren unglaublichen Erlebnissen.
Die
nächste Frage: habt ihr euch die Reise so
vorgestellt und würdet ihr sie noch einmal machen?
Wir hatten keine bestimmte Vorstellung – und
wir sind glücklich, die Reise gemacht zu haben – ob
wir so noch einmal machen würden, diese Frage
stellt sich nicht - wir haben die Welt umrundet.
Was
wir uns
absolut nicht vorstellen konnten, war die Kameradschaft
und die Hilfsbereitschaft unter den Seglern, wir haben
viele gute Freunde unterwegs gewonnnen.
Die dritte Frage: Wo würdet ihr am liebsten leben?
Unsere Antwort: in Deutschland. Auch das wurde uns
im Laufe der Reise bewusst. Unser Klima mit den die
vier Jahreszeiten, die abwechslungsreiche Landschaft,
das umfangreiche Angebot – Kultur– Sport.......
Nach drei Jahren unsere Kinder, Enkel und Freunde wieder
in unserer Nähe zu haben, wieder gewohntes Vollkornbrot,
Brezeln, Maultaschen, Fleischküchle, Allgäuer
Käse und Spargel genießen zu dürfen,
hier ist unsere Heimat. Jetzt ist
das Schönste, in meinem Bett zu schlafen – ohne
Geschaukel, ohne Nachtwache.
Wo ist das Sternenzelt über mir geblieben?
Wo die weite Freiheit des Meeres?
Wo ist der Horizont?
Es war
und ist ein Traum – unsere Reise auf
der „Barfußroute“ um die Welt mit
unserem Segelboot Momo. 3 Jahre lang war immer Sommer.
Unser Respekt vor dem Meer ist noch größer
als vorher, vor allem der Indische Ozean war unberechenbar
und manchmal
waren wir unseren Grenzen nahe – aber wie sagt
man so dahin – der Mensch wächst mit seinen
Aufgaben.
33 014 Meilen segelten wir durch blaues Wasser
rund um die Welt. 1041 Tage und Nächte verbrachten wir auf dem Atlantik,
Pazifik, Indik und wieder Atlantik
Vor 74 Inseln lagen wir vor Anker.
Helgoland, Norderney, Borkum,
Guernsey, Isle of Sark, Jersey, Isla Cies, Porto Santo,
Madeira, Isla La Graciosa,
Lanzarote, Gran Canaria, St. Lucia, Martinique,
Bequea, Canuan, Tobago, Union Island, Bonair, Povenir, Chichime, Holandes,
Lemmon, Lindo, San Christobal, Santa Cruz, San Christobal, Fatu Hiva, Hiva
Oa, Tahuhata, Ou Pou, Nuku Hiva, Makemo, Tahanea, Fakarava, Toau, Tahiti, Moorea,
Huahine, Raiatea, Tahaa, Bora Bora, Suwarrow, Samoa, Tongatapu, Vavau, Pangaimotu,
Utungake, Kapa, Matamaka, Vakaitu, Hunga, Fofoa, Foelifuka,
Lape, Neuseeland, Noumea-Neukaledonien, Isla Mâitre,
Low Islets, Hope-, Lizard-, Morris-, Horn-, Thursday-Island,
Christmas Island, Cocos Keeling, Rodriguez, Mauritius,
Réunion, St. Helena, Ascension, Fernando de Noronha, Iles de Salut,
Grenada
Unsere erste Nachtfahrt war für mich sehr aufregend,
wurde dann aber bald zur Routine, trotzdem habe ich
die Nachtwachen oft als Folter empfunden. Dem stehen
aber auch herrliche Nächte gegenüber, wenn
Momo in lauer Luft unter der Milchstraße segelte,
unter dem Schein des Vollmonds und der Orion
uns die Richtung wies, mit dem Kreuz
des Südens an Backbord!