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Datum |
01.
September 2009 |
Position |
33°03,70´N,
016´18,94´W -Porto Santo, Atlantik |
Seemeilen bisher |
2555 |
Wind |
N5 Bft |
Tage unterwegs |
113 |
Momo auf Entdeckungsfahrt
„
Laaaand in Sicht!“ ruft Momos Käpt`n
Ultramarinblau leuchtet der Atlantik, weiß die
Wellenkämme und kobaltblau strahlt der Himmel über
den einzelne Passatwölkchen ziehen - das ist unser
360° Ausblick seit Tagen. Plötzlich tauchen
graue Zacken am Horizont auf, nur ein Hauch. Wellen,
Wolken oder gar Land? Eindeutig Land! Ein Hochgefühl
stellt sich bei uns ein und wir fühlen uns wie
die Entdecker vor 600 Jahren. Endlich, nach 410 Seemeilen
und 75 Stunden auf See tauchen die Gipfel der Vulkanberge
der Ilha do Porto Santo, Madeiras kleiner Schwesterinsel,
aus dem Wasser auf.
Nach vier Tagen und drei Nächten taucht Porto Santo
aus dem Atlantik auf
Auslaufen in Lagos.
Vor 75 Stunden, am 111. Tag nach unserer Abreise,
sind wir am 29. August früh morgens in Lagos
gestartet. Der Tag zuvor war ausgefüllt mit
den Vorbereitungen für Momos neue und bisher
längste Blauwasserfahrt. Vier Tage und vier
Nächte, rechnen wir für die 455 Seemeilen
zum Madeira-Archipel. Ein kleiner Test für
die große Reise über den Teich. Wir
fühlen uns heute relativ entspannt, meldet
die „Wetterwelt“ für die nächsten
Tage doch günstige Wetterbedingungen. Die
ersten Meilen machen wir unter Maschine, noch schläft
der Wind. Trotz Windstille fahren wir Schiffschaukel
und Achterbahn in der groben See. Über 3 Meter
hoch türmen sich die Wellen. Bei Porto tobte
gestern noch ein Sturm und Richtung Grönland
läuft sich der Hurrikan Danny aus; vielleicht
ist das der Grund für die hohe Atlantikdünung.
Fakt ist, Momo fährt auf und ab, zwischendurch
immer eine Kompression, wenn wir im unten im Wellental
hart ankommen, dann ist auch jede Sicht versperrt,
aber sofort geht’s wieder hinauf auf den
Wellengipfel mit Rundumsicht.
Momo im Wellental
SY Fortytwo und SY Heimkehr haben das gleiche Ziel.
Gleichzeitig ausgelaufen ist die SY Fortytwo mit
Carsten und Mercedes, sie kommen vom Ankerplatz
vor Lagos, ihr Segel ist eine halbe Meile hinter
uns zu sehen, und die SY Heimkehr, sie ist in Sines
gestartet. Bert und Marlene müssen noch am
Cabo de São Vicente vorbei, ihre Route ist
ca. 27 Seemeilen länger. Ihr Kurs läuft
im spitzen Winkel zu uns, auf Porto Santo zu. Unterwegs
werden wir uns also nie treffen, aber wozu haben
wir UKW- und den Kurzwellenfunk! Immer mal wieder
gilt es Neues zu melden: Wetter, Wind, Dünung,
Geschwindigkeit, Koordinaten, Fragen, wie bekommt
euch die grobe Welle, was gibt es zu Mittag, z.
B. bei Momo heute - Kartoffelsalat mit Bockwurst.
Das Thema Essen ist ab dem zweiten Tag aber für
niemanden mehr ein Thema, nur noch eine lästiges Übel.
Auf jeden Fall ist ein gutes Gefühl, nicht
allein zu sein auf dem großen Ozean. Auch
mit der „Fortytwo“ sind wir bald nur
noch funktechnisch in Kontakt, die Schiffe verlieren
sich – Momo hat sie abgehängt.
Momo unterwegs im Atlantik
Der Wind bläst für uns jetzt
ohne Pause Tag und Nacht
Die Algarve Küste ist längst
hinter dem Horizont verschwunden. Der gegen
Mittag gut ausgeschlafene
Nordwind bläst mit 5 Beaufort in unsere Segel
und treibt Momo mit 6 – 7 Knoten durch die
quer laufenden Wellenberge. Die Wassertiefe nimmt
zu, waren es am Anfang n u r 1000 Meter, werden es
bald 3000 und über 4000 Meter. Wir sind in einem
Gebiet mit riesigen Gebirgsmassiven, die sogenannten
Seamounts (Monte L’Hirondelle, Monte Josephine,
Monte Gettysburg), deren Gipfel sich bis auf 40 bis
80 Meter u n t e r der Wasserlinie erheben, wir sehen
sie also nicht, können unbedenklich über
die Gipfel segeln.
Unser Kurs führt mitten durch die Seamounts,
die aus 4000 m Tiefe
bis 100 m unter die Wasseroberfläche aufsteigen.
Ist das vielleicht Atlantis?
Kurs 242, Porto Santo
Eine Steckdose ist lange nicht in Sicht, die Batterien
sollten geladen werden, also müssen wir unseren
Bordstrom selbst erzeugen. Beim Segeln ist unser
Kraftwerk ist einmal der Windgenerator und jetzt
ziehen wir, um mehr Strom zu erzeugen, zusätzlich
noch den Schleppgenerator an einer 40 Meter langen
Leine hinter uns her. Etwas Geschwindigkeit kostet
uns der Schleppgenerator aber. Der Skipper nützt
die Zeit zum Angeln und hängt seine Schleppangel
in den Atlantik, jedoch ohne Erfolg. Die Crew ist
nicht traurig – was soll sie bei dem Geschaukel
mit einem Fisch, der muss ja auch zubereitet werden.
Wir legen Kurs 242 an, der bleibt uns bis Porto
Santo erhalten. Johannes die Windfahne steuert
und zum Zeitvertreib sucht Uwe Funkkontakt. Unsere
Aktivitäten an Bord sind sonst minimalst.
Momo fährt unentwegt ihre Bergstrecke, Welle
hoch, Welle runter, eine Hand von uns sucht ständig
Halt am Schiff. Appetit hat keiner an Bord. Obst
aus dem sonnigen Portugal erfrischt bei der Hitze.
der Schleppgenerator macht Strom und Johannes steuert
Die 1. Nacht von Samstag auf Sonntag beginnt
um 20 Uhr mit meiner Nachtwache, gerade als die Sonne
hinter dem Horizont verschwindet. Vorher binden
wir noch vorsichtshalber ein Reff in das Großsegel.
Jetzt sitze ich ganz allein unter einem sagenhaften
Sternenhimmel und der Vollmond beleuchtet die Wellenkämme.
Ein herrlicher warmer Abend, so richtig zum Träumen.
Davon bin ich aber meilenweit entfernt! Was mache
ich eigentlich hier mitten auf den Atlantik, 4800
Meter Wasser unter mir, um mich herum Wasser, nur
Wasser und viele Geräusche: ein gewaltiger
Wasserfall, ein vorbei rasender Zug, dann folgt
ein gespenstisches Gurgeln und Plätschern,
und dann geht’s von Vorne wieder los. Ich
setze den Kopfhörer auf, aber die Musik entspannt
mich auch nicht. Meine Halsmuskeln schmerzen, den
Kopf aufrecht zu halten bei dem ständigen
Geschaukel ist anstrengend. Kann die Dünung
nicht mal bei Nacht nachlassen? Ich bin müde.
Das Cockpit wird in der Nacht feucht und ständig
muss ich zur Windfahne gehen und Johannes neu einstellen,
der seinen Kurs zu ungenau steuert. Dann kauere
ich mich wieder unter die Sprayhood, denke an meine
Enkelkinder – so gerne würde ich sie
wieder sehen. Ich schaue zum Hundersten Mal hoch
zu den Sternen, da eine Sternschnuppe! Noch zwei
Stunden, dann ist endlich Wachwechsel.
Nacht auf See, der weiße Haken ist der
Mond
24.00 Uhr, Uwe steht auf. Wir sind
jetzt auf Position 36°04’,5 Nord und 09°53’8
West und schon 80 Seemeilen liegen hinter uns.
Ich schlafe gerade zwei Stunden, da höre ich,
trotz Oropax in den Ohren, wie Uwe mit einem Frachter
funkt. Er bittet die „Trans Pacifique“ um
eine Kursänderung. Laut unserem AIS haben wir
eine stehende Peilung. Der CPA (closest Point of
Approach) sagt 0,08 Seemeilen, also Kollisionskurs!
Selber ausweichen ist nicht so einfach, dazu müßte
der Klüverbaum geborgen werden und dazu müßte die
Freiwache geweckt werden - kommt also nicht in Frage!
Außerdem muß der Frachter
ja ausweichen! Hin und her gehen die Gespräche,
endlich kommt die Meldung, dass der Frachter seinen
Kurs ändert.
Schwierig, bei den vielen Geräuschen unter
Deck und auf Deck wieder einzuschlafen, manchmal
meine ich Sklaven laufen mit Ketten an den Füßen über
das Deck, so rasselt und knarrt es, wenn Momo durch
die schwarzen Wellen donnert. Zwei Stunden später
weckt mich der Skipper, Zeit aufzustehen. Der Mond
ist verschwunden, es ist finster – ringsum.
Ich suche den Horizont nach Lichtern ab, kontrolliere
den Kurs, warte bis die Sonne endlich aufgeht und überlege,
ob Frühstücken eine Abwechslung wäre.
Zuviel Mühe, eigentlich habe ich eh keinen Appetit.
Ein Apfel soll genügen.
Freiwache mit Eimer für alle Fälle
4 Stunden später steht Uwe wieder im Cockpit.
Zuvor trinkt er den kalten Kaffee von gestern. Ein
Schwarm Delfine ist an Momo vorbeigezogen, sie hatten
es aber sehr eilig, erzählt er mir, als ich
endlich, um die Mittagszeit mal wieder aufstehe.
Gefährlich schaukelt die Pfanne auf dem Herd,
darin brutzeln Nudeln mit Ei, à la Atlantikwelle.
Irgendwas braucht ja der Magen. Tagsüber gibt
es weiter nichts Aufregendes. Meile um Meile zieht
Momo durch das Blauwasser, während die Crew
und der Skipper im Wechsel schlafen. Umstellungsphase,
das gibt sich!??? Wir sind auf der Höhe von
Gibraltar. Das Wasser ist immer noch blau, der Wind
bläst mit 5 Beaufort und die Sonne brennt auf
das Deck.
Die zweite Nacht von Sonntag auf Montag
Die Sterne am Himmel sind stellenweise wie wegradiert,
Wolken sind davor.
Wie können wir die Nachtwachen verbessern? Den
4-Stunden-Rhythmus und die jeweilige Wachzeit von
Skipper und der Crew wollen wir beibehalten. Die
Zeit der Nachtwachen verkürzen wir uns aber
heute mit dem Hören von Podcasts von SWR 3.
Der Laptop steht dazu unter der Sprayhood, so kann
man nebenher den Horizont nach Lichtern absuchen.
Auch haben wir uns beide Superpep verordnet. Sogar
der Skipper ist nicht frei von Seekrankheit. Neu
auch, die Dose mit den kleinen portugiesischen Zwieback,
als leichten Snack bei Nacht. Gegen meine Nacken-
und gleichzeitigen Kopfschmerzen werfe ich zusätzlich
noch eine Voltaren-Tablette ein. Schon ist die Nacht
rum, es ist Montag.
Survivalkit für die Wache
Time got go: 24 Stunden und 15 Minuten
Die Sonne hält sich hinter den Wolken zurück,
aber konstant bläst der Wind. Mit einem Eimer
kristallklarem Atlantikseewasser nehmen wir unser
Morgenbad an Deck, das Salz spülen wir mit einer
kleinen Pütz mit Süßwasser ab. Auch
am dritten Tag stellt sich kein richtiger Rhythmus
an Bord ein. Über Funk erfahren wir, dass die
Heimkehr jetzt 50 Seemeilen zurück liegt und
die Fortytwo 20 Seemeilen. Wir befinden uns jetzt
auf der Höhe von Casablanca. Zu Essen gibt es
eine Fertigpackung von Lidl: Nudeln mit 5 % Spinat,
das Verfeinern der Speise schenkt sich der Smutje
bei dem hohen Seegang. Um 17.30 Uhr lesen wir am
GPS ab: Time to go: 24 Stunden und 15 Minuten. Vor
Einbruch der Dunkelheit wären wir dann im Hafen.
Toll, keine vierte Nacht mehr auf See! Jetzt zählt
nur noch Geschwindigkeit. Ausreffen, den Klüver
ausbaumen, Segel trimmen und möglichst genauen
Kurs fahren. Endlich beruhigt sich die See, die Kirmes
ist zu Ende. Der Wind dreht von Nord auf West-Nord-West,
aber er hält durch.
Die dritte und hoffentlich letzte Nacht vor dem Landfall
Der Mond beleuchtet die dünne Wolkenschicht über
uns Momo gleitet auf einem lichtdurchfluteten Meer,
sie erzeugt bei ihrer Fahrt durch das Wasser ein
glitzerndes Algenleuchten. Es ist absolut nichts
los auf dem Wasser. Folgende Routine habe ich mir
deshalb für meine 4 Stunden-Wache heute ausgedacht:
Logbucheintragung, Kontrollblick auf den Laptop,
ob Schiffe in der Nähe sind, Blick auf die Navigationsinstrumente,
Horizont nach Lichter absuchen, eine halbe Stunde
Podcast hören und 10 Minuten auf dem Bett das
Kreuz ausstrecken, Momo und der Wind kommen kurz
allein klar. Die Nacht ist schnell vorbei, schon
ist es Dienstag.
Delfine, Schildkröten, ein fliegender
Fisch und Vulkanberge
Um 10.45 findet die Delfinshow um Momo statt, das
macht doch gleich gute Laune!
Und am Nachmittag dann der Ruf vom Käp’tn:
Land in Sicht! Immer deutlicher zeichnen sich die
Vulkanberge am Horizont ab, die Wolken verziehen
sich und in schönster Abendstimmung laufen wir
Porto Santo an. Als Begrüßungskommitee
schwimmen uns zwei Pizzateller große Schildkröten
entgegen. Schnell noch die Leinen und die Fender
anbringen. Da, ein Schlag in den Wanten, ist da was
gerissen? Ein fliegender Fisch ist dagegen geflogen
und liegt jetzt platt auf dem Deck. Der stinkt richtig
nach Fisch, zurück ins Wasser mit ihm.
der erste fliegende Fisch an Bord
Jetzt heißt es aber schnell anlegen. In dem
großzügigen Hafen finden wir einen Platz
längsseits der Pier. An der Kaimauer haben sich
schon viele vorbeiziehende Segler verewigt, auf der
anderen Seite des Hafens ragt der Vulkankegel, der
Pico do Facho (517 m) empor.
Momo ist fest, der Crew geht’s super. Mit
neuem Schwung entsalzen wir das Schiff, räumen
auf, kochen, die Welt ist in Ordnung –die Seefahrt
ist herrlich. Sensationell hat der Wind durchgehalten,
vier Tage und 3 Nächte lang, er hat von Nord
auf WNW und dann auf NO gedreht, aber immer konnten
wir unseren Kurs fahren.
Wo sind unsere Mitsegler geblieben?
Momo ist Sieger, zweiter wird die Forty Two, die
kommt um Mitternacht und dritter wird die Heimkehr.
Sie hat es auch etwas weiter gehabt und außerdem
noch vor der Insel einen Badestop eingelegt. Sie
schleicht
sich morgens, wir liegen noch in der Koje, in den
Hafen.
Nach 83 Stunden und 455 Seemeilen
im Kielwasser heißt unser neuer Standort im Madeira-Archipel:
Ilha do Porto Santo (Heilige Insel), auf 33°03'698
Nord und 16°18'942 West. Wir befinden uns fast
4 Breitengrade südlicher und 7 Längengrade
westlicher als bei unserem Start in Lagos. Die nächste
Blauwasserfahrt wird dann die Atlantiküberquerung
sein. Kein Test mehr, es wird dann gleich Ernst.
der vulkanische Ursprung der Insel ist nicht zu übersehen
Kolumbus
hat einige Jahre
auf Porto Santo gelebt, nachdem er im Jahr 1479 Felipa
Perestelo e Moniz heiratete, die Tochter des Gouverneurs
Perestrelo. Bevor es dann bei uns weiter geht, leben
wir erst mal ein paar Tage auf der Insel. Unsere
Insel, ein Traum in Blau zwischen Himmel und Ozean,
weit weg vom Rest der Welt, ist
recht übersichtlich mit einer Länge von
11 und eine Breite von 6 Kilometern.
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