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28.
Mai 2008, Standort Bodö, 67°17,05´N,
014°22,14
E
Eine „Bergtour“ mit Momo durch
Fjordnorwegen - durch tiefblaue Sunde und Fjorde,
vorbei an hohen
Bergen mit Schneekappen und Gletschern mit dramatischen
Wolkenstimmungen.
Nichts wie weg aus Bergen, der ehemaligen Hauptstadt
Norwegens. Am Wochenende und dazu noch bei Schönwetter,
fallen die norwegischen Motorbootfahrer, aus den
umliegenden einsamen Inseln in die Stadt ein. Früh
um 7.00 Uhr müssen alle Schiffe, die an Momo
hängen, ablegen. Wir sind das hinterste Boot
und wollen zuerst weg. Das erste Kreuzfahrtschiff
läuft auch schon im Stadthafen ein. Spiegelblank
das Wasser sowohl im Byfjord, als auch im sich anschließenden
Herdlefjord. Die Gelegenheit, um unter blauem Himmel
im Cockpit zu duschen und bei herrlicher Morgensonne
das Frühstück nachzuholen. Kleidung momentan:
kurze Hosen, kurz hinter Bergen und das im Mai!
unsere Route von Bergen nach Trondheim
Wir
nehmen eine Abkürzung, die schmale Durchfahrt
zwischen der Schärenlandschaft Sætrosen
mit niedrigen, kahlen und glatten Felsbuckeln a lá Schweden.
Sie erfordert jetzt unsere volle Aufmerksamkeit.
Die Wassertiefe in den norwegischen Gewässern
war seither immer im 3-stelligen Bereich, verringert
sich abrupt, selbst auf dem befahrbaren Weg zwischen
Leuchttürmen, Varden und Jernstangen (Eisenstangen)
und neben der Markierung sollte man besser nicht
fahren, auf 18 Meter. Dann freut sich der Skipper,
endlich kann er mal wieder Segel setzen. Vorbei mit
den kurzen Hosen, warme lange Unterwäsche und Ölzeug
ist wieder angesagt. Wieder im breiten Herdlefjord,
sehen wir an backbord Industrieanlagen, riesige Raffinerien, Öltanker
kreuzen unseren Kurs. Norwegen gehört zu den
größten Ölproduzenten der Erde und
gilt als eines der reichsten Länder der Welt.
Entdeckt wurden die ersten Gas- und Ölfunde
vor jetzt 38 Jahren. Dies veränderte das Land
der Bauern und Fischer total. Das Königreich
Norwegen besteht zu 74 % aus Gebirgs-, Ödland,
sowie Gewässern und nur 3 % der Fläche
sind agrarwirtschaftlich nutzbar.
Zwischen Felsen,
auf flachen Inseln, geschützten Ufern - jeder
Flecken Erde wird nutzbar gemacht. Der heutige Wohlfahrtsstaat
hat seinen landschaftlichen Reiz nicht verloren,
was die vielen Touristen bestätigen, gerade
zieht wieder hurtig eine Hurtigrute, die „Trollfjord“,
an uns vorbei.
Die Hurtigrute, transportierte früher,
als die Straßen noch noch nicht so ausgebaut
waren, Post und Waren in die zerklüftete Küste,
heute können gleichzeitig auch Norwegen-Interessierte
auf den komfortablen Schiffen, der Küste entlang
Reisen buchen, von Nord nach Süd, oder umgekehrt.
An interessanten Orten gibt es einen Aufenthalt,
an anderen bleibt Zeit zum Ein- und Umsteigen und
um Post auszuladen. Die modernen „Postdampfer“,
zwölf sind es insgesamt, sind u. a. die MS Trollfjord,
MS Finnmarken und die neue MS Midnatsol mit allem
Luxus. Unsere private Seeblick-Veranda ist das Cockpit,
und da trotzen wir jedem Wetter, bei unserem Tempo,
im Schnitt mit 5 Knoten (Fahrrad-Tempo), erleben
wir intensiv die großartige Landschaft und
hautnah das Wettergeschehen. Abends brauchen wir
auch keine Suite und Gesellschaftsräume, da
ziehen wir uns in unseren kleinen Salon und die Schlafkoje
mit dem warmen Daunenschlafsack zurück.
Herrliches
Segeln nun durch den Sognejøen, dann sind
wir inmitten von hunderten Außenschären,
dem Ytre Steinsund, diese Schären sind dem rauen
Klima des Atlantiks ausgesetzt, kahl, glatt geschliffen,
runzelig, unwirtlich. Keine Bäume, nichts Grünes.
Ab und zu steht versteckt ein einsames Haus, sogar
mit Straße. Ich frage mich, wo die wohl hinführt
in der Mondlandschaft. Hurtig, fast zu schnell, brettern
wir dank der Windkraft mit 7 Knoten durch die mit
Steinhügeln gepflasterte See.
auch das "norwegische Pferd" liegt an unserem Kurs
Beruhigend nur,
dass das Wasser bis dicht an die Felsen ran mindestens
80 Meter tief ist. Eine Steininsel mit Naturhafen
suchen und finden wir, Buskøya. Fest machen
wir Momo auf der linken Hafenseite, das ist schon
wieder eine andere Insel: Steinsöy. Umgeben
von lauter grauen Schären, dürfen wir einen
Privatsteg benutzen.
unser Privathafen für eine Nacht
Jetzt fängt es an zu regnen – das
erste Mal, seit wir in Norwegen sind! Die ganze Nacht
hält der Regen an, auch noch am Sonntag morgen,
dem 11. Mai, um 6.15 Uhr, zum Ablegen. Die Wolken
hängen so tief, dass die Berge aussehen, als
ob sie weiße Wollkappen trügen. Ein besonders
großer Koloss von Berg steht im Granesund,
500 Meter hoch ragt er direkt aus dem Meer. Bei diesigem
Licht und Nordwind, also uns auf die Nase, hangeln
wir uns von Leuchtturm zu Leuchtturm. Das Wetter
bessert sich und gegen Mittag liegt unser Ziel Florö voraus.
Position 61°36’08N und 05°01,87E. Es
bleibt heute noch Zeit um zwei Waschmaschinen voll
mit Wäsche zu waschen, zu trocknen, einen Spaziergang
auf den Berg zu machen und im Hotel am Hafen das
Internet zu nutzen. Wetterberichte abfragen, e-mails
und Telefonate führen.
An diesem Sonntag findet
im Hotel ein Familienfest statt. Alle, einschließlich
Kinder sind im traditionellen Bunad gekleidet. Das
ist eine Volkstracht, regional unterschiedlich in
der Ausführung, und sehr wichtig für das
Nationalbewusstsein. Geraffte Röcke, Schürzen,
verzierte Täschchen, Gürtel, Messer, Schmuck,
dazu trägt man manchmal weiße Strümpfe
und Schuhen mit Schnallen. Selbst der König
hat manchmal bei offiziellen Anlässen seine
Tracht an. Manchem steht die Tracht ganz gut,
aber sonst passt die Tracht nicht für alle Figuren.
die Berge tragen Wolkenkappen
Auch am Pfingstmontag verlassen wir unseren Hafen
wieder bei schlechter Sicht und Gegenwind, heute
ist es aber ein Kampf mit unserem Segelboot Hilfsmotor
gegen fünf Windstärken, mit Böen bis
6. Ein Archipel mit kleinen Inselchen liegt voraus
und gerade jetzt steigt unser Rechner mit der elektronischen
Seekarte ständig aus. Der Wind dreht auf Nord-Ost
und füllt unsere Segel, dass wir nur so um die
Steine flitzen. Unsere Wasserstraße führt
uns nun meilenweit durch den Frøsjøen,
hier gibt es wenigstens Platz und wieder eine dreistellige
Wassertiefe. Hinter dem schmalen, kaum besiedelten
Ufer sind die schroffen und kahlen Berge hunderte
Meter hoch. Der Momo-Skipper hat jetzt Ärger
mit dem Wind, er kommt uns entgegen, wechseln wir
die Richtung, dann dreht der Wind mit und kommt uns – wieder
entgegen. Die Windrichtung passt nie, in den Fjorden
gibt es nur zwei Windrichtungen, entweder von vorne
oder von hinten, höchstens zur Abwechslung mal
eine von den Bergen herab kommende starke Fallböe.
An Backbord umrunden wir einen 889 Meter hohen, senkrecht
aus dem Wasser aufsteigenden Felsen, den Hornelen.
Wir sind im Skatestraumen, und queren den Nordfjord,
steuern auf die riesige, 41 Meter hohe und über
einen km lange Brücke zu, um unseren heutigen
Hafen Måløy anzulaufen. Bei starkem
Wind ein Anlegeplatz mit Bryggas, wie ich die hasse,
diese klapprigen Gestelle zum Festmachen. Eine Norwegerin
eilt hilfsbereit herbei. Später sind wir bei
ihr, Guri (gesprochen Jüri, das R gerollt, dazu
Zungenspitze einrollen) und ihrem Mann, Ragnar, auf
ihrem Schiff Nor Wiking und lassen uns „special
places“ für unseren Weg nach Norden sagen.
Ganz nette Leute, sie sind aus Oslo her gesegelt,
auch sie möchten weiter nach Norden.
Malöy liegt voraus
Die Nacht
am Schwimmsteg wird fürchterlich, ein Rütteln
und Reißen an den Leinen. Die berüchtigte
Westkapumrundung, gefürchtet wie die Biskaya,
steht uns bevor. Die Offshore Passage führt
um Stattlandet. Die hohe Halbinsel, ist der westlichste
Punkt von Norwegen, keine zum Atlantik hin schützenden
Inseln gibt es mehr, stattdessen eine Unterwasserstruktur
die es in sich hat. Ein Felsengebirge mit steilen
Flanken bis knapp unter die Wasseroberfläche
befindet sich um das Kap, es reflektiert die Dünung
des Atlantiks und erzeugt völlig chaotische
und steile Wellen. Bei dem derzeitigen starken Nordwind
haben wir da keine Chance. Wir warten. Uwe macht
eine Bergtour. Gegen Abend kommt er zurück und
gleichzeitig die Nachricht vom Schiff Nor Wiking
von Guri, dass nach Rückfrage bei Kyst Patrolen,
der Nordwind nach lässt, beste Zeit für
die Umrundung sei heute Nacht! Nor Wiking wird um
23.00 Uhr los fahren. Wir schließen uns an
und unser Nachbarschiff, ein Einhandsegler, Hauke
aus Hamburg, mit schwarzem „Panzerschiff“,
auch. Uff, die Zeit reicht gerade noch zum Essen,
kurz vor zu schlafen – ich finde jedoch keine
Ruhe. Noch bläst der Nordwind kräftig.
Pünktlich, wie vorhergesagt von der Rettungsgesellschaft,
tritt Windstelle ein. Soo ruhig wollten wir`s eigentlich
gar nicht!
die Bergtour wird mit einem herrlichen Blick
auf Malöy und die Umgebung belohnt
im Dunst sieht man auch Stattlandet, das berüchtigte
Westkap
Unsere „Flottille“ aus drei
Booten legt pünktlich um 23.00 Uhr ab, der
Mond wird uns leuchten, stockfinster wird es
nicht werden,
wenigstens was. Nor Wiking vorneweg, von Leuchtturm
zu Leuchtturm, wir jagen dem weißen Licht
der Nor Wiking mit ihren 100 PS nach, Hauke ist
hinter
uns. Die Reihenfolge ist PS gestaffelt. Kurz
nehmen wir unser Vorsegel dazu und holen Abstand
auf, dann
wird das Licht immer kleiner. Kalt ist die Nacht,
mehrere warme Schichten Kleidung tragen wir übereinander.
Der offene Atlantik lässt sich nicht verleugnen.
Die Wellen der alten Dünung sind größer
und steiler als sie sich zwischen den Inseln
aufbauen können, aber heute sind sie nicht
gefährlich,
aber angenehm auch nicht. Bei Mondschein ist
um 1.30 Uhr das Kap quer ab. Um 4.40 Uhr sehen
wir das Kyrkjel
Feuer, eine Stunde später, um 5.35 morgens
legen wir im Hafen Fosnavåg an, bei strömendem
Regen. Haben wir Glück gehabt, dass der
Regen sich so lange zurück gehalten hat.
Wir sind erschöpft und schlafen, bis die „Wikinger“ ans
Schiff klopfen, sie fahren wieder los, weiter
nach Ålesund.
Gute Idee, meint unser Skipper, wir fahren auch!
20 Seemeilen im Regen, aber Ålesund ist
schon eine bessere Adresse als Fosnavåg.
An backbord liegt die bekannte Vogelinsel Runde.
Hier brüten
200 000 Vögel, 40 Arten unter anderem die
größte
Kolonie von Papageitauchern. Einen sichten wir,
er hat einen roten Schnabel, sieht wirklich aus
wie
ein Papagei. Auch eine Trottellumme fliegt an
uns vorbei. Auf der Insel leben u. a. noch Tordalken,
sie sehen ähnlich aus wie Pinguine, Dreizehenmöwen,
Seeadler und Eissturmvögel.
Ålesund,
die „Stadt
des Jugendstils“ ist in Sicht!
Wir laufen
bei Regen in den riesigen Naturhafen ein; Fähren
und Kreuzfahrtschiffe im vorderen Teil, vorbei
geht es noch an den stattlichen Häusern,
hinten an der Brücke dann ist der Hafen
für die Sportboote.
Toller Hafenplatz, mitten in der Stadt, rings
um uns die Jugendstilhäuser, wir brauchen
nur zum Bootsfenster hinaus zu schauen. Die Schönwetterphase
seit wir in Norwegen sind, scheint vorbei zu
sein. Ein Besuch der Stadt bei Regen lockt uns
nicht, nur
die Gäste der AIDA und der Hurtigrute, die
nur kurz Aufenthalt haben, sieht man mit Schirm,
Foto
und Reiseführer bewaffnet durch die Stadt
gehen, auch Momo wird geknipst. Wir laden die „Wikinger“ zu
uns auf eine Flasche Toscana Rotwein ein. Herzerfrischender
Besuch! Entgegen allen Klischees, die man von „den
Norwegern“ hat, wie Schweigsamkeit, Beharrlichkeit
und Eigensinn, sind unsere Besucher sehr aufgeschlossen
und offen. Kriege gab es immer, sagt Ragnar,
uns Jüngeren kann man das Geschehene nicht
mehr nachtragen. Ragnar ist, wir können
es kaum glauben, 70 Jahre alt, in Vardø, östlich
vom Nordkap in der Barentsee geboren, als 3 -
jähriger von
den Deutschen auf die Lofoten zwangsumgesiedelt
worden und später auf Frachtern zur See
gefahren.
Der Gesprächsstoff geht uns nicht
aus: über
Motoren, Seegebiete, „the way of life“ in
Norwegen, den teuren Alkohol, den Klippfisch,
die Bunads, das Öl – und und und.
Ragnar hat als Kind den Einmarsch der Deutschen
während
es 2. Weltkriegs in der Finnmark (das nördlichste
Gebiet Norwegens) miterlebt und erzählt über
diese problematische Geschichte ganz sachlich
und nüchtern. Zum Beispiel, dass - der norwegische
König sofort nach dem Einmarsch der Deutschen
nach England geflüchtet sei und dort fish
and chips gegessen habe. Dass seine Landsleute
so schnell überrumpelt
wurden, und sich nicht wehren konnten. Dass in
der Finnmark nur 19 000 Einheimische gelebt haben
und
350 000 deutsche Soldaten dort stationiert waren.
Und die Geschichte mit den „adoptierten“ russischen
Gefangenen. Auf dem Marsch der russischen Gefangenen
zur Arbeit, haben die norwegischen Kinder jeweils
einem Gefangenen (jedes Kind immer dem gleichen „adoptierten“)
Brot oder Socken zugeworfen. Dazu haben sie Hitler-Spottlieder
gesungen – und plötzlich singt unser „Wikinger“ so
ein Spottlied. Und die Geschichte wie er, Ragnar,
als 7-jähriger entlaust wurde, der Geruch
ist noch in meiner Nase, sagt er. Die Deutschen
Soldaten
haben beim erzwungenen Rückzug 1944 aus
Norwegen Häuser, ganze Städte abgebrannt,
Brücken
und Hafenanlagen zerstört. Die Stadt Hammerfest
wurde dem Erdboden gleich gemacht, auch von Kristiansund
ist nicht mehr viel übrig geblieben. Der
Begriff „verbrannte
Erde“ kommt daher, „Blutstraße“ ist
auch so ein Begriff, Gefangene mussten Straßen
bauen. Aber, laut Ragnar, haben sich allgemein
die Beziehungen zu den Deutschen normalisiert
- fast.
Wir freuen uns, Guri und Ragmar getroffen zu
haben.
Tschüss, Guri und Ragnar, schön, dass wir Euch
getroffen haben!
Am nächsten Tag Regen, nachmittags
gehen auch wir mit Schirm und Foto durch die
Kongensgate und
bewundern die Jugendstilhäuser, die 1904
nach einem Brand wieder aufgebaut wurden, Giebel,
Erker,
Türmchen und Stuck, mit nationalen Elementen
dabei, jedes Haus ist anders. Kaiser Wilhelm
II., ein Fan von Ålesund und Norwegen-Enthusiast,
hat Aufbauhilfe geleistet. Eine Tour auf den
Hausberg muss natürlich auch sein, auch
wegen der Fotos, 400 Stufen führen auf den
Berg und 400 abwärts,
trotz der trüben Stimmung lohnt es sich,
die Aussicht auf die Stadt, den Hafen und den
Fjord ist
sensationell. Über Nacht noch eine Überraschung:
Legt sich doch tatsächlich um 23.30 noch
ein Motorboot als Päckchen an Momo. Wir
sehen niemanden, sondern hören nur da Poltern.
Früh am morgen
ist keiner an Bord des Schiffes, was nun, wir
wollen weiter?! Vor uns liegt ein Fischerboot,
dorthin verholen
wir einfach das Bavaria Motorboot, das gänzlich
unbewohnt aussieht. Unglaublich, einem nachts
ein Schiff anzuhängen!
Dauerregen in Aalesund
Wir verlassen Ålesund
bei Nordwind, was sonst, starker Gegenwind sogar,
aber wenigstens ist es heute wieder schön
bei erträglichen 10 Grad. Momo schlängelt
sich durch einen Archipel von kleinen Schären,
weiter in den Vigrafjorden. Im Laufe unserer
Reise motoren
oder segeln wir durch unzählige Sunde und
Fjorde, wie ein Netz ziehen und verzweigen sie
sich zwischen
Zig-tausenden Inseln und dem Festland durch.
Lysefjord, Geirangerfjord, Næroyfjord,
Sognefjord ... die kennt jeder, aber dass wir
jeden Tag bei der
Navigation die Qual der Wahl haben, welchen Wasserweg
durch welche Fjorde und Sunde wir nehmen sollen,
das ist unglaublich. Der Fjord ist wie eine Verzahnung
von Meer und Land. Als die Gletscher in der Eiszeit
vom Gebirge abwärts zum Meer wanderten,
entstanden die Trogtäler (steilfelsige Talhänge
mit gerundetem Talboden). Am Meer unten, bewirkte
die
Schleifwirkung des Gletschereis gegen die Gezeiten
des Meeres, dass die Gletscher auf der Stelle
schürften,
immer tiefer und tiefer. Der Sognefjord ist z.
B. 1300 Meter unter dem Meeresspiegel. Am Ende
des Fjords
hat sich die Moräne des vorgestoßenen
Gletschers aufgehäuft, deshalb ist ein Fjord
am Ende immer eine Einbahnstraße, aber
oft mit vielen Verzweigungen und Möglichkeiten
zum Befahren. Das Wort Fjord ist im Deutschen
die Förde,
im englischen firth. Inzwischen fahren wir im
Midtfjorden, die Ufer säumen 700 Meter hohe
Berge, eine gewaltige Felswand, wenn sie senkrecht
aus dem Wasser aufsteigt,
in der zweiten Reihe, die Tausender, mit Schnee
bedeckt. Die Luft ist glasklar und eine herrliche
Wolkenstimmung
lockert das blau des Himmels auf.
Leider ist
unser Skipper grätig, die hohen Berge beidseitig
lassen keinen Wind durch und er muss motoren.
immer wieder
folgt ein Segelversuch. Am Ende sind wir von
insgesamt 9 Stunden Fahrzeit 3 Stunden gesegelt,
bis wir am
Südzipfel der Hustadvika im Fischerdorf
Bud ankommen. Von der einstigen Blütezeit
des Ortes ist nichts mehr zu erkennen. Bud war
im 16. Jahrhundert
ein großer Fischereihafen und größter
Handelsplatz zwischen Bergen und Trondheim. Auch
im 2. Weltkrieg muss der Ort für die Deutschen
eine große Rolle gespielt haben. Der sonnigen
Felsen, wo jetzt hunderte von Möwen kreischen
und brüten und wie eine lebendige Wand aus
weiß-silbernen
Vogelfedern wirkt, ist die Front einer noch völlig
intakten Wehranlage. Auf der Anhöhe stehen
noch Kanonen und Flakfeuer. 350 deutsche Soldaten
waren
hier stationiert, außerdem noch russische
und polnische Kriegsgefangene. Im Fremdenverkehrsprospekt
ist der Bunker als „ein deutsches Fort“ beschrieben!
In der Sommersaison kann man es besichtigen.
Wir finden eine offene Tür, laufen durch
die schwach beleuchteten Gänge in den Felsen,
seltsames Gefühl.
der einst wichtige Handelsplatz Bud
Der Hafen in Bud ist der
letzte für
die Weiterfahrt, durch den zur See hin offenen
Küstenabschnitt,
das Seegebiet Hustadvika. Viele kleine Inseln
sind noch vorgelagert, sie bieten jedoch keinen
Schutz
gegen die Wellen und die Brandung des offenen
Atlantiks. Unzählige Untiefen gilt es außerdem
zu umgehen. Wir versuchen noch bei den Küstenrettungsschiffen
herauszufinden, wann die Hustadvika gefahrlos
zu durchqueren ist. Von einer Telefonnummer zur
anderen
werden wir verwiesen, bis wir endlich eine Antwort
erhalten: heute ist der Wind zu stark, aber morgen,
bei NO Wind mit 4 Bft., möglich. Sehr dürftig
diese Aussage.
Bringen wir's hinter uns, raus
auf den Atlantik, am Freitag, dem 17. 5., dem
Nationalfeiertag
der Norweger, um 6.45 Uhr. Sobald wir den ruhigen
Hafen verlassen haben, erwarten uns 22 Knoten
Wind, 2 – 3 Meter hohe Wellen, chaotisch
werfen sie Momo hin- und her. Unser Rechner mit
dem Navigationsprogramm
macht immer noch Zicken, obwohl wir Speicherplatz,
Kabel und alle denkbar möglichen Fehlerquellen
gecheckt, und selbst Georg, unseren Computerfachmann
um Rat gefragt haben. In brenzligen Situationen
ist der Bildschirm schwarz. Es heißt jetzt
genau auf Kurs bleiben, denn neben unserer Kurslinie
spritzt
das Wasser hoch über die Unterwasserfelsen.
In der Karte ist die nun folgende kurvige Strecke
als „Stoplane“ bezeichnet. Eng verläuft
sie zwischen den flachen Inseln durch. Weniger
Wind jetzt wäre uns jetzt ausnahmsweise
lieber. Konzentration pur, der Skipper versucht
Momo in den nun drei Meter
hohen Wellen auf Kurs zu halten und muss sich
auf meine Kursmeldungen hundertprozentig verlassen
können.
Gegen 10.00 Uhr haben wir das offene Seegebiet
und 20 Seemeilen hinter uns.
hinter dieser Brücke der Atlantikstraße ist ruhiges
Wasser
Der berühmte
Bau der Atlantikstraße ist in Sicht, über
Inseln, Molen und unzählige hohe und niedrige
Brücken
führt die 8274 m lange Küstenstraße,
die die schönste Autostraße der Welt
genannt wird. Wir fahren unter der 23 Meter hohen
Brücke
mit Vollgas durch wegen quer laufender Strömung
mit 2,5 Knoten und starkem Seegang.
Dem offenen
Atlantik folgt jetzt wieder ein geschützter
Fjord, der Lavöyfjord. Endlich Stille, wir
segeln. Und Frühstücken, vom Gefühl
her ist es schon Nachmittag. Die Strecke ging
ganz schön
in die Knochen. Grüne Wiesen am Ufer des
Fjords, Landwirtschaft wird hier betrieben. Waren
die Häuser
auf der bisherigen Strecke meist vornehm weiß,
so werden sie jetzt bunter, rot und ockerfarben.
Wir kommen der schwedischen Landesgrenze auch
immer näher. Wolken, Sonne, Wind, eine Bö und
bläst mir die graue Mütze vom Kopf – blub – blub
- versunken. Im sich anschließenden Bremsnesfjorden überschreiten
wir den 63. Breitengrad. Wir laufen den großen
Naturhafens der Stadt Kristiansund an. Sie liegt
auf 3 Inseln und umschließt den Hafen.
er gilt als der sicherste ganz Norwegens. Hier
liegen Kreuzfahrtschiffe,
riesige Fischtrawler und ganz hinten auf der
Insel Kirkelandet ist der Gästehafen. Hat
das Wettergemisch uns seither den Regen vorenthalten,
schüttet
es nun zum Anlegen wie aus Kübeln. Wir hören
Böllerschüsse zum Nationalfeiertag,
norwegische Familien gehen spazieren in ihren
Trachten.
Kristiansund in der Abendsonne
Von Kristiansund
wissen wir, dass wir keine historische städtebauliche
Schönheit erwarten dürfen. Nur ganz
vereinzelt stehen noch hübsche Holzhäuschen,
die alte gewachsene Stadt wurde Opfer der „niedergebrannten
Erde“.
Kristiansund ist die Klippfischstadt.
Schon im 17. Jahrhundert importierten sie den
Klippfisch von den nördlich gelegenen Lofoteninseln
und exportierten ihn bis nach Spanien, Portugal,
Brasilien
und Kuba. Die Geschichte des Klippfisches gibt
es im Museum zu sehen, da aber die Museen meistens
nur
bis 16.00 Uhr offen sind, wenn überhaupt,
so schaffen wir nie einen Besuch. Aber den Klippfisch,
von unserem „Wikinger“ wärmstens
empfohlen, probieren wir im Lokal Sjøsterna. „Bolinhos
de Bacalao“ auf portugiesische Art. Schmeckt
lecker, feine Tomatensoße, Zucchini, Kartoffelscheiben
und Klippfischstückchen.
Sonntag, 18. Mai,
10 Grad, bedeckt und zeitweise Regen, laut Wetterbericht
Nord Nord-West-Wind 1-2, Böen 4. Mein Thermometer
misst Lufttemperatur 8 °, Wasser 8 °.
Je länger die Tage werden, desto kälter
wird es. Der erste Streckenabschnitt führt
uns bei der Insel Møyslåttan in
ein Archipel von flachen Schären, mit dem
Unterschied zu den schwedischen, dass zwischen
den Steinhügeln
eine Wassertiefe von 50 Metern ist, statt 5 und
noch weniger. Weiter im breiten Edøfjord
und in der noch breiteren Trondheimsleia können
wir die Segel setzen. Die Dimension der „Straße“ ist
zweimal Bodensee hintereinander. Trondheim schaffen
wir heute nicht mehr, Uwe überlegt zwar,
bei dem schönen Wind die Nacht durchzusegeln,
aber 30 Seemeilen vor Trondheim biegen wir nach
dem Berg
Hundneset nach steuerbord ab. Auf dem Berg stehen
Windmühlen, die ersten die ich in Norwegen
sehe, hinter dem Hundneset öffnet sich eine
kleine Bucht mit dem Hafen Kongsvoll. Hier genießen
wir noch die Abendsonne. Am Hafengebäude
liegt Schnee, nicht viel, aber immerhin.
wir übernachten in der Bucht von Kongsvoll
So erwartet
uns
am nächsten morgen unser bisheriger Kälterekord:
4 ° mit Regen und kurzem Hagelschauer, die
Berge ringsum sind mit Neuschnee überzuckert.
Immer geradeaus, weiter auf der Trondheimsleia,
bis zum
Leuchtturm Agdenes. Dieser war früher eine
Sperrfestung, die hatte aber 1940 beim Einlaufen
des deutschen
Schlachtschiffes nach Trondheim keine Munition!
Die Fahrt im Trondheimsfjord zieht sich fünf
Stunden lang. Der Fjord ist unspektakulär,
sicher auch weil es kalt, bedeckt und alles grau
ist. Bei Regen,
wie zur Zeit immer bei der Ankunft, erreichen
wir den Hafen des Segelclubs Trondheim. Von hier
aus
soll man in den Stadthafen kommen, nur eine Brücke
muss man sich öffnen lassen. Die Brücke
ist zu sehen, aber davor liegen lauter Felsbrocken
und Spuntwände. Was soll denn das? Uwe versucht
per Funk jemanden zu erreichen - nichts.
dieses Wunderwerk der Brückentechnik bleibt uns
verschlossen
Wir
fahren nochmal raus aus dem Hafen, bereiten uns
vor zum
Anlegen im Segelclub. Fender über Bord hängen,
Leinen klar machen – da schwimmt ein Fender
vor der Hafeneinfahrt, das ist unserer, und noch
mal einer! Wie kann denn das passieren, kommt
vom Skipper jetzt die Bemerkung. Sofort fährt
er „Mann über
Bord“ Manöver und nach insgesamt 3
Anläufen
hat die Crew hat die blauen Puffer wieder geangelt.
Alle Guten Dinge sind Drei, so folgt jetzt noch
ein Anlegemanöver an meinen so beliebten
Bryggas. Der Skipper ist nicht zufrieden. Rückfragen
im Club, wie wir in den Stadthafen kommen, stellt
sich als ganz umständlich heraus. Zur Zeit
wird eine Unterführung gebaut und das Wasser
unter der Brücke ist mit Spuntwänden
abgesperrt und es gibt kein Durchkommen. Wir
dürfen im
Seglerhafen bleiben, müssen jedoch auf einen
anderen Platz. Ich hasse Bryggas immer noch,
wieder ein verkorkstes Festmachen meinerseits.
Eine große
Fabrik liegt neben uns, es stinkt nach Tierfutter.
Die 156 000 Einwohner zählende Stadt Trondheim
liegt in einer Bucht des Trondheimfjordes, der
sich dann noch weiter, bis fast zur Grenze Schwedens
hinzieht.
Einen Kilometer wandern wir in die Stadt und
suchen die Speicherhäuser von Bryggene,
die wir vor Jahren, als wir mit unserem VW-Käfer über
Norwegens Schotterstraßen fuhren, schon
mal fotografiert haben. Wir und die Häuser
haben uns gut gehalten. Das Licht ist phänomenal,
besser als vor 37 Jahren.
"Bryggene" kurz vor einem Regenschauer
Am nächsten Tag bleiben wir in Trondheim, packen die Räder aus, sind
jetzt viel schneller in der Stadt. Wir radeln durch die Kopfstein gepflasterte
Altstadt, sie hat noch gute Substanz an schönen, historischen Gebäuden.
Der riesige Nidarosdom ist ein skandinavisches Architekturdenkmal der Gotik,
leider ist der Dom geschlossen. Hoch auf den Berg, die sternförmige Anlage
der Festung Kristiansten mit ihren Kanonen besichtigen, dann warten wir wie das
Fototeam das hier oben bei der Arbeit ist, auf eine Lücke in den Wolken.
Wieder in der Stadt finden wir ein nettes Café und dürfen mit der
Karte der freundlichen Bedienung ins Internet.
nach 37 Jahren wieder auf der Festung Kristiansten
Der Dom in Trondheim
Der Abstecher nach Trondheim,
10 Stunden nach Osten hin- und wieder zurück im Trondheimfjord hat sich
auf jeden Fall gelohnt. Am Abend machen wir die Navigation für morgen, langsam
kommen wir dem Polarkreis nahe.
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