Unser Logbuch

hier gibt`s das Neueste von unserer Reise.

Die Einträge hängen davon ab, wann wir einen Internetzugang finden.

Wir werden natürlich versuchen, möglichst aktuell zu sein


 

Datum:11. Juni 2008
Standort: Tromsö
Position 69°39,06 N, 018°57,66 E
Meilen:1879

... zehn Grad plus, Sonne, Sommer im Norden - so starten wir am 21. Mai ins Reich der Dorsche ...



getrocknete Dorschköpfe (Kabeljau) werden uns jetzt immer wieder begegnen
.
Um sie zu finden, braucht man nur dem Geruch zu folgen.



die Route von Trondheim zu den Lofoten

10 °, Sommer im Norden,
Sonne, so starten wir ins Reich der Dorsche am 21. Mai von Trondheim zum Stokksund, zuvor noch kurz 250 Liter von dem günstigen norwegischen Bootsdiesel tanken. Bei Sonnenlicht sieht heute der Trondheimsfjord viel freundlicher aus. Es ist Windstille, aber wir haben ja wieder Diesel. Die Vegetation an den Berghängen ändert sich jetzt, die Mischwaldzone weicht dem borealen Nadelwald, auch Taiga genannt. Unter Maschine erreichen wir um 13.00 Uhr wieder den Leuchtturm Agdenes, es folgt die Trondheimsleja. Endlich legen wir wieder Kurs Nord an.



Im Grandevika überholt uns das Hurtigrutenschiff, wir ihm nach, aber nicht lange, da verschwindet es hinter den kleinen Inseln. Und da sagt man, bei den Hurtigruten Reisen kann man die Seele baumeln lassen, wie mag dann unsere Seele langsam baumeln im Fünf-Knoten-Tempo (langsames Radfahrtempo)von Momo. 15.20 Uhr passieren wir den Leuchtturm Kjeungskjeret, auf einem kahlen Felsbrocken gelegen und einer Burg ähnlich.



so schön können Leuchttürme sein

Das Seegebiet ist wieder offen zum Atlantik hin, führt uns in den Tarva Fjorden und durch den Valler Sund. Die Berge sind jetzt kugelig und meist kahl. Hinter einem der vielen Felskugeln finden wir einen Schwimmsteg für Momo und uns zum Übernachten, nach langen 63 Meilen, auf Pos. 64°02'17N und 09°59'54E. Den 64. Breitengrad haben wir heute knapp geschafft. Übernachten ist falsch ausgedrückt, zum Schlafen sind wir hier, denn Nacht wird es nicht mehr. Um 22.30 strahlt die Sonne noch wie in Deutschland um die Mittagszeit. Unseren „Vorhang“ am Kojenfenster, die ausgebrauchte Schwedenflagge, habe ich zusätzliche mit der Aalandflagge verdichtet. Falls kein schlechtes Wetter kommt, wird die Sonne um 3.00 Uhr in der Früh wieder ganz hell blenden.
Stokksund, 5.00 Uhr wecken, zur Abwechslung heute dunkle Wolken und Nieselregen. Das offene Seegebiet Folla, nach Westen zum Atlantik ungeschützt, müssen wir heute auf dem Weg nach Rörvik passieren.



Vegetationslose klobige, rötlich -braun und graue Kugelfelsen säumen die Ufer des engen Stokksundes. Eine Haarnadelkurve führt um die Insel Stockoya. Wenn jetzt ein großes Schiff entgegen kommt wird es eng. Vor ein paar Jahren fuhr hier auch Kaiser Wilhelm II mit seiner „Hohenzollern“ durch, er hat auf diesem mit Untiefen gespickten Fahrwasser und dem Zick-Zack-Kurs die Fassung verloren und seinem Steuermann das Ruder aus der Hand genommen. An backbord eine Einzelgefahrenstelle, ein Wrack schaut ein bisschen über die Wasseroberfläche heraus, bei Hochwasser ist es dann verschwunden!

Der Bessaker Sundet mit der Engstelle am Leuchtturm und die Durchfahrt Buholmråsa liegt um 11.10 hinter uns, wir sind ungeschoren von starkem Seegang und Reflexionen davon gekommen. Sind wir seither unter Maschine und dem Klüver gefahren, erlaubt uns jetzt ein Ostwind mit 4 Bft das gefürchteten Folla Gebiet unter Segel zu durchqueren. 13.00 Uhr schon 5 -6 Bft., wir Reffen, kurze chaotische Wellen mit jetzt über 7 Knoten Fahrt schütteln Momo nur so durch.



der Leuchturm Buholmrasa

Ein düsterer Wolkenhimmel über uns, neben uns, westlich im Atlantik der Küste vorgelagert, Hunderte flacher nackter Felsklippen, wie Gürtel hintereinander aufgereiht. Eine Gruppe gibt das Bild einer Wirbelsäule wieder. Wir nehmen nicht die Uksundleia mitten durch die Untiefen, sondern fahren ins freie Wasser, auf die Skyttelråsa. Keine Ahnung was das heißt, ich übersetze es gefühlsmäßig mit Schüttelstrecke, das wird es auch eine mit einem unangenehmen Seegang. Die Brücke im Nærøysund noch passieren, dann ist wieder einer von den härteren Tagen gemeistert. Nach 64 Meilen sind wir um 17.30 Uhr fest im Hafen Rörvik auf Pos. 64°51'4N und 11°13'74E.Wassertemperatur 8°, wie immer gleichmäßig erwärmt vom Golfstrom, 12 ° messen wir im Schiff und 25 °, jedoch windgeschützt, in der Sonne. Windstärke, 5 Bft. mit Böen.

Los in Rørvik am Freitag, dem 23. Mai um 8.10 Uhr Kurs Nord, vielleicht zur Insel Inner Torget, die mit dem Loch im Berg. Verschlafen stehe ich am Steuer, blinzle in die Sonne und versuche den Kommandos des Momo Skippers zu folgen wie: die linke Insel da vorne in weitem Bogen an backbord lassen. Der Wind treibt mir Tränen in die Augen, die linke Insel sehe ich nicht, das Gelände vor mir ist eine felsige Fläche, ohne Details, ich sehe keine Insel sich abgrenzen, die eventuell da drüben, dahinter oder davor sein soll. Auf jeden Fall kann Uwe nicht begreifen, dass ich nicht sehe was er sieht und Momo wird vom Wind gejagt mit 7 Knoten im engen kurvigen Nærøysund, und auch noch in dem sich anschließenden Lekafjord.

Einige Frachter kommen uns entgegen. Im Melsteinford ist dann richtig was geboten: ich schaue an den vorbei fliegenden Berggipfeln hoch und denke an die riesigen Seeadler die es hier geben soll, melde dem Skipper: ich will welche sehen, Uwe macht mit dem Finger – schnipp – und da kreisen plötzlich zwei Riesenvögel. So ein Zufall, aber Uwe behauptet, das seien seine magische Kräfte.



Zwei deutsche Transalls umkreisen uns und winken mit den Flügeln


Plötzlich ein Höllenlärm. Zwei Transall-Flieger im Tiefflug über uns. Wir winken – ob sie uns sehen? Sie fliegen eine Kurve und kommen zurück. Über uns winken sie mit den Flügeln. Wie eine moderne Skulptur, die Varde im Melsteinfjord: ein schwarzer Kegel, daneben der Leuchtturm. Nicht diese, aber manche Varden gibt es noch aus den Zeiten der Wikinger, auch die haben sich wohl so im Inselgewirr orientiert. Die Vegetation hat sich im Laufe unserer Reise nach Norden wieder verändert, subarktische Birkenwälder wachsen an den Berghängen. Der Wind schwächelt jetzt, unser Skipper brummt „sind wir wieder zu spät los gefahren“, 8.10 Uhr ist wirklich spät, wo doch heute schon um 3.00 Uhr früh die Sonne unser Schiff beleuchtet hat. Ich finde das gemütliche Segeln dagegen viel besser.

Ein großer Kahn begegnet uns, er kommt sicher von einer der vielen Lachsfarmen und hat Lebendfische geladen. Fast überall findet man diese Fischfarmen im Wasser, wer kann denn so viele Lachse essen? Wie wir später mal von einem Fischer hören, ist und wird dies ein Problem, denn die Gewässer werden leer gefischt um die Zuchtlachsen zu füttern.



eine der vielen Fischfarmen

Die Schweiz am Meer umgibt uns, Bergmassive mit Kämmen und scharfem Grat, schneebedeckt die Gipfel und steilen Rinnen. Ist hier nicht das das Matterhorn? Nach Westen zum Atlantik hin Inseln und Felsriegel, nicht wahllos, sondern sauber von Südwesten nach Nordosten ausgerichtet, dazwischen unzählige, 100 Meter tiefe Fahrrinnen. Vor uns ein einzelner Bergkoloss, der fast vollständig die Insel ausfüllt, das ist unsere Insel, Inner Torget. Den Berg will Uwe besteigen, dafür gehen wir das Risiko der flachen Einfahrt zur Mini-Steganlage Moyhamna, auf Position 65°24'82N und 12°06'73E ein. Ganz langsam tasten wir uns vor, von 100 Meter Wassertiefe auf 4,70 Meter – passt, selbst wenn wir später Niedrig- und noch weniger Wasser unter dem Kiel haben, wird es noch reichen. Wunderschön der Platz, wenige kleine Fischerboote, Momo, Idylle und der Berg. Jetzt schnell Wandersachen an, Stöcke, die Fischer nach dem Weg zum Berg Torghattan fragen. „Links und wieder links“, kommt die knappe Antwort. Ganz klar, mehr Straßen und Abbiegemöglichkeiten gibt es auch nicht. Erst auf der Straße, sie gehört uns, vorbei an modernen Bauernhöfen (die werden vom Staat stark subventioniert), und endlich steigt der gepflegte Weg steil hoch zum Torghatten, immer steiler, Felsstufe um Felsstufe, nach eineinhalb Stunden Marsch nun vor uns die gigantische Felshöhle, 75 Meter hoch und bis zu 30 Meter breit, und noch ein Schritt. Wahnsinn – mit diesem einen Schritt öffnet sich ein Ausblick, durch ein über 160 m langes Loch, im Berg, auf das Meer und die Inseln . Wir sind überwältigt, legen eine Rast ein und genießen den Ausblick. Der Sage nach soll ein Pfeil des Riesen-Trolls Hestmannens den Berg durchschlagen haben. Auch sollen seit Jahrhunderten immer wieder Könige und Kaiser den Berg besucht haben. Dreieinhalb Stunden später, wieder auf dem Schiff, spüren wir unsere Seglerbeine, sie sind ganz schön fertig von der Bergtour.



ein gigantisches Loch geht durch den Berg




Das Barometer steigt und steigt,
Sonne pur, heute früh mit 15 ° im Schiff Hitzerekord. Nach dem gestrigen Segeltag herrscht heute Windstillle, der Motor ist gefragt, vor uns liegt die Stadt Sandnessjøen. Wir tasten uns aus dem flachen Hafen Moyhamna, bei Niedrigwasser. Mit unserem Vergrößerungsglas, das wir zum Erkennen aller Seezeichen auf der Karte brauchen, brennt unser Skipper sich einen schwarzen Fleck in seinen blauen Faserpelz. Weil das so lustig ist, brennt er auch noch ein Loch durch 14 Seiten in meinem Logbuch. Nebenbei sind wir im Brönnöysund, kommen in den Tilremfjorden, das Wasser ist blank. Im Tjøttforden, kein Schiff außer uns ist unterwegs, nur die Hurtigrute Nordkapp und das Kreuzfahrtschiff Venus zieht an uns vorbei. X Fjorde zweigen wieder ab, unglaublich, hat schon jemand die Anzahl der Fjorde gezählt? Westlich liegen wieder hunderte, ja tausende von den Müsliriegel-Inseln, die die Brandung des Atlantiks für die Boote abfangen. Alle sind sie bezeichnet in der Seekarte, wie z. B. die Steinskjœret, Stakkøya, Sevaldøya, Storyøa, Kråkskjœrslua, Kråka, Æsmellen, Reierskjœret ... Am Horizont, Bergriesen und wie mit Puderzucker bestreut, auch die Bergkette „Sieben Schwestern“, mit dem höchsten Gipfel über 1072 Metern. Die würde der Skipper gerne besteigen.



die "7 Schwestern" sieht man schon aus 50 Meilen Entfernung

Momo fährt über den 66. Breitengrad. In Sandnessjøn, einer 7000 EW Stadt und einem wichtigen Verkehrsknotenpunt des Großraums, legen wir im Fischereihafen an. Ablegen am Samstag, dem 24. 5. ist kein Problem für uns im‚ im Gegensatz zu den jungen Burschen, die zum Freitag Abend wieder mit ihren Power-Motorbooten in die Stadt gekommen sind. Sturzbetrunken versuchen sie frühmorgens ihre Leinen aufzuknoten, sitzend. Der Fahrer fährt mit Vollgas rückwärts statt vorwärts, aber sie haben wohl Übung darin und die Sache offensichtlich „voll im Griff“.

Unser Wetterbericht für den aufregenden Tag, wir überschreiten den Polarkreis heute, ein ungewöhnlicher Süd-West, 4 Bft, zunehmend auf 6 Bft, rechtsdrehend auf West. Ungeduldig wartet Uwe, während wir unter Maschine durch den Alstenfjord fahren, auf den vorhergesagten Wind. Er kommt, nach der Nord-Ost-Ecke der Insel Tomma im Stigfjorden, legt gleich los mit 5 Bft. Wir fegen mit 7 Knoten durch die Inselfetzen, endlich hat der Skipper wieder ein Segelboot. Die Berge am Festland haben alle nur denkbare Formen, aufsteigende Bergrücken, wieder steil abfallend, Spitzen, Grate, Hörner, Pyramiden und Kegel.



die Berge haben lustige Formen (Bild um 90° drehen)



wir erreichen den Polarkreis

Zunehmend dunkler wird der Himmel, es regnet, der jetzt auf 6 Bft aufgefrischte Wind wird ständig böiger, Gegen 14.00 Uhr erreichen wir, inzwischen mit einem Reff im Großsegel, die kleine Insel Vikingen, darauf steht eine symbolisierte, geneigte Erdkugel als Bake. Die Sensation heute, den Polarkreis auf 66°33’51N zu erreichen, erkämpfen wir uns um 14.28 Uhr, Großsegel und Klüver hat Uwe inzwischen gerefft. Unser Weg durch den Kvarøfjord und Rødøfjord, um einige graue Bergecken herum mit 27 Knoten Wind ist nicht sehr spaßig. Aufgrund des schaurigen Wetters legt Uwe unseren heutigen Hafenplatz neu fest, auf der Insel Bolga. Da soll Schluss sein mit der ungemütlichen Fahrt. In den Starsfjord, und weiter in den Holandsfjord und zum Gletscher Svartisen vorzustoßen, ist heute unmöglich. Plötzlich zeigt sich die Sonne und wir können den Gletscher Svartisen erahnen, die Spitze steckt in Wolken. Glück gehabt, es sind nur noch vier Meilen bis zum Hafen! Keine zehn Minuten später zieht eine graue Wand auf, blitzartig ist sie hinter uns, völlig unerwartet und undurchsichtig. Jetzt sind wir mitten drin in der Mauer, der Wind pfeift mit 7 Bft. Sicht gleich null, eine Varde soll noch vor dem Hafen stehen, die müssen wir noch an backbord lassen, wo ist die? Eine Hammerbö drückt Momo zur Seite und der Skipper hält mühsam das Steuer, streift mit einem Blick den Windmesser, Stärke 36, das sind 8 Bft. Die Segel müssen runter, schnell, wir sind vor der Hafeneinfahrt der Insel Bolga. An Backbord jetzt die Varde, an Steuerbord eine Fischzuchtanlage, bei dem rasenden Tempo von Momo, wenig Platz zum Aufschießen in den Wind, um die Segel zu bergen. Geschafft, links ein einsamer Schwimmsteg, voll im Schwell der Hafeneinfahrt. Um in den Hafen und zwischen Schiffen und Bryggas herumzufahren ist es uns viel zu stürmisch. Wir entschließen uns für den Steg voll im Wind, von der Seite anfahren ist nicht drin, Uwe fährt mit dem Bug auf den Steg zu, ich springe mit der Vorleine ab, schnell festmachen. Bis der Knoten aber dran ist, ist die Leine mit Momo 3 Meter weg vom Steg. Uwe versucht mir am Steg noch eine Leine gegen 8 Windstärken zuzuwerfen, das wird langwierig, die Leine dreht immer wieder um und liegt im Wasser. Es klappt dann, Uwe winscht Momo Momos Heck Umdrehung um Umdrehung an den Steg. Nach der anstrengenden Fahrt hat der Skipper noch ein hartes Krafttraining absolviert. Endlich liegen wir fest am Steg, jetzt kann der Sturm Momo nur noch mitsamt dem Steg wegfegen, von Position 66°48’ N und 13°14’5E. Der Skipper hat nie genug, jetzt muss er noch einen Ölwechsel machen und den Ölfilter austauschen, ich kann das nicht fassen. Wir wollen schlafen, aber die Sturmböen pfeifen im Rigg und der Schwell schaukelt uns, aber nicht in den Schlaf.

Als wäre nichts gewesen,
ist am Montag um 10.00 Uhr morgens die Welt wieder in Ordnung und der Fahrt zum Gletscher steht nichts mehr im Weg. Das Meer ist wieder blau, hat sich geglättet, die Sonne zaubert wieder einen Bilderbuchlandschaft um uns. Wir befinden uns jetzt in Nord Norge und fahren mit Momo in das Hochgebirge. Unsere „Bergstraße“ ist der Starsfjord und weiter der Holandsfjord. Keiner muss sich anstrengen, die Berge liegen uns zu Füßen, wir fahren auf 1000 Meter über Grund und noch mal 1.600 Meter über uns liegen die schneebedeckten und vergletscherten Gipfel. Um 16.00 Uhr sind wir am Ende des Holandfjords, ein kleiner Schwimmsteg, Birkenwald und ein weißer Gletscherarm vor uns – ein Traum.







der Svartisengletscher ist der 2. größte in Europa

Der Svartisen ist 1599 m hoch, der Gletscher selber hat eine Fläche von 370 qkm und 100 Meter Dicke und ist damit der zweitgrößte in Skandinavian, nach dem Jostedalsbreen. Insgesamt bedecken 1700 Gletscher mit 3300 qkm die Landesfläche. Wir liegen an einem Seitenarm des Svartisen, dem Engabreen. Eine kurze Rast, bevor wir in Bergschuhen los stiefeln. Flach zieht sich das Tal hinein durch Birkenwälder, vorbei am Gletschersee, dem Svartisvatn, dann steigt der Weg an, durch braun-grau-rötlich-weiß-schwarz-marmorierte, glattpolierte Steinfelder mit Blick zum See und auf den Fjord. Der Weg bis zum Eis ist nicht mehr markiert und wir verlieren leicht den Überblick und die Richtung bei den Meter hohen Steinbrocken. Das klettern lohnt sich, die Eiswalze des Svartisen Gletscherseitenarms Engabreen (Svartisen=Schwarz) ist blütenweiß, die Gletscherspalten leuchten in der Sonne türkisblau. Das wäre jetzt der Moment, die Gläser und einen Drink aus dem Rucksack zu packen, leider kommt mir der Gedanke zu spät. Das Eis knistert, manchmal bricht was ab, unheimlich, Uwe lässt mich nicht dichter an die blaue Eisspalte gehen.

Nach der 2 1⁄2 ständigen Wanderung entschließen wir uns, inzwischen ist es 18.30 Uhr, den Tag zu verdoppeln und noch bis Bodø durchzufahren, ca. 10 Stunden brauchen wir voraussichtlich dazu und der Tagesrhythmus ist sowieso durcheinander bei uns. Wind: Nord-Nord-Ost, das bedeutet Fahrt mit Maschine. Die Sonne blendet enorm auf dem Wasser. An unserem Hafen auf der Insel Bolga kommen wir wieder vorbei, durch eine Ansammlung von Mini-Inseln, weiter in den Støttfjord, um Mitternacht umrunden wir fast den 599 m hohen Berg Kunna, der seine Halbinsel mit seinem Massiv voll einnimmt. Dem Seegang nach sind wir dem Atlantik wieder voll ausgesetzt. Obwohl die Wolken uns und der Sonne einen Strich durch die Rechnung machen, ist es trotzdem immer hell. Als wir über den 67. Breitengrad fahren, dreht der Wind auf Südwest und endlich segeln wir lautlos in der hellen Nacht. Die Vogelinsel Fugloy liegt an backbord. Immer dichter werden die Wolken, keine Chance auf die Morgensonne. So zieht und zieht sich die Fahrt jetzt in den kalten Morgen, bis wir endlich, jetzt bei Regen im Hafen von Bodø, ganz hinten, am Gästesteg festmachen. 4.30 Uhr am Morgen, Zeit für die Koje. Wieder sind wir 72 Seemeilen dem Nordkap näher gekommen.



Schietwetter, nachts um halb zwei

Dienstag 27. und Mittwoch 28. ist Hafentag, starker Nordwind und Gegenwind, Zeit zum Wäschewaschen und eine Hotelbar mit Internet aufzusuchen. Bodø ist eine nüchterne Militärstadt und auf Sightseeing habe nicht einmal ich Lust bei dem Schietwetter.
Am Donnerstag wagen wir die Überfahrt zu der Inselgruppe der Lofoten. Auf der Insel Moskenes wollen wir das Fischerdorf Reine anlaufen.
Südwestwind, alles um uns in kühlem Grau. Momo stampft in den grauen Wellen im Bjornoy Sund (Bärensund) und dann im Westfjord. Nachmittags ist es wieder vorbei mit Wind und unter Maschine laufen wir auf die Lofoten-Bergwand zu. Gigantisch, selbst bei dem trüben Wetter die steil ins Meer stürzenden Felswände, schneebedeckt die zackigen Gipfel. Im Eisenstangenwald des flachen Hafens versuchen wir uns erfolgreich zurechtzufinden. Uwe findet es riecht nach geschmortem Kabel. Um 22.00 Uhr legen wir in dem idyllischen Fischerhafen Reine, ein Panorama von Bergriesen rings um uns. Plötzlich ein Donner, von dem Bergmassiv vor uns poltert eine Schneelawine herab, dass es nur so staubt. Jetzt wird uns klar, es riecht oder stinkt nach Fisch und nicht nach Kabel. Überall hängen an Stangen getrocknete Fischleiber, nicht umsonst nennt man die Lofoten auch die Inselgruppe des Kabeljaus.



für die Ansteuerung der Lofoten hätten wir uns besseres Wetter gewünscht


Die Lofoten sind eine eindrucksvolle, spektakuläre Inselgruppe mit einer alpinen Bergwelt im Meer, mit steilen, gezackten Gipfeln und senkrecht aus dem Meer ragenden bis zu 1000 Meter hohen Wänden. Das Gestein ist fast so alt wie die Erde selbst, die Millionen Jahre dauernde Erosion hat einen dramatische Berg- und Wasserlandchaft hinterlassen. Die Inseln erstrecken sich über zwei Beitengrade und sind 1200 qkm groß. Auf der Westseite der Inseln, zum Atlantik hin, gibt es sogar tolle Sandstrände. Die Lofoten sind das schönstes Ferienziel der Norweger, wir sind drei Wochen vor den norwegischen 2 Monate dauernden Ferien da. Das ist timing!



Reine bietet eine spektakuläre Szenerie



Freitag 30. 5. ist eine Fahrradtour durch die Fischerdörfer an der Küste entlang angesagt, bis zum Ort Å. (da fehlen keine Buchstaben mehr, es ist wohl der kürzeste Ortsname.) 20 Kilometer auf den Falträdern, der E10 entlang. Trotz Küstenstraße geht es aber auf und ab. An wirklich jeder freien Stelle hängen die getrockneten Fische immer zwei Fische an den Schwänzen zusammengebunden. In Å besichtigen wir das Stockfischmuseum in einem alten Seehaus, es zeigt den Dorschfang, das Trocknen, Pressen und Verpacken in einer separaten Hütte ist die Bäckerei zu besichtigen und die Trankocherei, Uwe graut's vor nichts, er kostet das ölige Zeug. Wir sehen einen Film, hören von der sich anschließenden langen Reise des getrockneten Fischs, meist nach Italien, wo er als Delikatesse und Fastenspeise heiß begehrt ist. Billig ist der Fisch nicht, 40 Euro pro kg, auch gibt es verschiedene Qualitätsstufen. In unserem Hafen schauen wir in eine Halle . Da wird der Fisch, wie Holzscheite sieht er von weitem aus, zum Versand auf Palletten geschichtet.

Die Lofotfischerei hat eine über 1000jährige Tradition. Früher ein hartes Geschäft mit den kleinen Nordmannbooten, mit hohen Menschenverlusten mussten die Fischer damals rechnen. Das Gebiet ist unglaublich fischreich! Von überall her kamen sie auf die Lofoten und die roten Holzhütten, die Rorbu wurden als Unterkünfte für die Fischer schon im Jahr 1120 errichtet, schon im Jahr 1120 entstanden die ersten. Heute dienen sie oft, komfortabler ausgebaut, als Urlaubsunterkünfte für die Angeltouristen aus ganz Europa.
Hunderte von Fischkuttern und Boote laufen aus den Häfen der Inselgruppe aus, wenn der Dorsch aus der Barentsee zum Laichen zu den Lofoten kommt. Das kann ab Januar schon sein und endet, wenn die staatlich festgesetzten Fangquoten erfüllt sind. Der Himmel der Lofoten hängt dann voller Fische. Gutes Geld wird heute damit verdient und es wird uns erzählt, der Geruch (an der Würgegrenze manchmal) sei der Duft des Geldes.



die Stockfischgestellen stehen an jeder freien Ecke

Hier ein leckeres Rezept für Liebhaber: frisch gefangenen Dorsch ausnehmen und säubern. 2-3 EL Salt und 1 EL Essig auf ein Liter Wasser. Den Fisch in 2-3 cm dicke Scheiben schneiden, in das kochende Wasser legen, 10 Min. ziehen lassen. Rogen in Brotpapier einpacken und aufkochen im Sud und 30 Min. ziehen lassen. Zubereitung der Leber: die Haut vorsichtig abziehen, in kleine Stücke teilen und die inneren Sehnenstränge entfernen. Pfeffer und gehackte Zwiebeln zufügen. Die Leber im Fischsud kochen, kaltes Wasser zugießen und ziehen lassen. Die Leber mit geschnittenen rohen Zwiebeln servieren. GUTEN APPETIT. Das leckere Rezept vom Walfisch habe ich leider vergessen, Walfleisch wird vor allem auf den Lofoten, aber auch sonst in Norwegen gerne gegessen.


Wir reißen uns am Samstag los von der Traumkulisse in Reine, der Nusfjord steht auf dem Programm. Ich will Schlafsäcke lüften, Uwe will vom Schiff aus in dem Fischparadies angeln. Nachdem wir wenige Meilen vom Ufer weg sind, packt er die in Fehmarn noch gekaufte Angel aus, Pilker ran und – schon kreisen die ersten Möwen um unser Schiff. 1o Minuten später biegt sich tatsächlich die Angel durch. Eine großer Seelachs, silbrig in der Sonne glänzend, hängt dran. Tut er mir leid, höre ich Uwe mit dem Fisch reden. Ich kann gar nicht hinsehen, nur mit Überwindung mache ich mit Sicherheitsabstand ein Foto. Uwe muss nun den armen Fisch killen. Ich höre ihn nur ständig sagen“tut mir leid“, „so ein schöner Fisch“. Wie die Geier stürzen sich die Möwen mit wahnsinns Geschrei auf die Reste, die Uwe über Bord wirft. Er filetiert den Fisch gleich, er weiß, sonst darf der Fisch nicht in die Küche.





heute gibt`s fangfrischen Seelachs


Nebenbei schon wieder einen Breitengrad überschritten, den 68. Der Hafen von Nusfjord mit den alten Häuschen der Lofotenfischer ist wie eine Reise in die Vergangenheit, ein Traumplatz. Trotz Regen klettern wir gleich auf den nächsten Berg, steil hoch durch Geröll, Felsen und oben, man kann es nicht glauben, wachsen in der Steinwüste 50 cm hohe Moosdecken, man läuft wie auf dem Trampolin. Abends gibt es nun den frischen Seelachs mit Kartoffelsalat. Ich bin sicher übersensibel, aber ich muss immer an den lebenden Fisch an der Angel decken. Uwe mundet sein Fisch prima.Nebelschwaden ziehen am Sonntag morgen durch den Nusfjord.



ein "snug harbour" ist Nusfjord


Wir entscheiden uns für eine „mittelschwere Wanderung“ zu den Gletschermühlen nach Nesland. Immer am Ufer entlang geht das, denke ich – falsch. Felsen auf und ab, Birkenwäldchen, Hochmoore, meterhohe Steinbrocken mit dicken Mooskappen überzogen, über Geröllfeld mit Riesenbrocken und Steinpyramiden. Toll, abwechslungsreich, aber anstrengend, wenn das nur „mittelschwer“ ist, werde ich mich vor einer schweren Wanderung hüten. Zwei Stunden nach Nesland, die Gletschermühlen sind bescheiden, der Weg das Ziel, und 2 Stunden wieder zurück dann - fahren wir los.



die Wanderung nach Nesland hat`s in sich



der Schneehase wechselt gerade auf Sommerklamotten

15 Seemeilen mit Südwind, zum Walfischerhafen Stamsund auf der Insel Vestvågøa. Die Einfahrt in den Hafen ist spannend, wir fahren direkt auf alte verrostete Silos zu, danach ein scharfer Knick. Gleich finden wir einen freien Platz am Hotel-Schwimmsteg, vor uns, wir sind ja auch in einem Walfischerhafen, ein Walfischerboot mit Harpune. Mit gemischten Gefühlen laufen wir um das Boot, Walfleisch erkennen wir im Inneren.



ein Walfängerboot in Stamsund



Hübsche Holzhäuschen hat der Ort und eine gemütliche Hotelbar, hier lassen wir es uns bei einem Glas Øl gut gehen.

Wir segeln am Montag, dem 2. Juni bei tollstem Wetter los, Richtung Svolvœr, auf der Insel Austvågøy. Bald liegt das Fischerdorf Henningsvœr querab. Auf Hopen/Kalle soll eine tolle Ankerbucht sein. Wir ankern dort und machen gemütlich Mittag, jedoch stört uns ein Stein, der liegt in der Mitte und wer weiß wie das Wetter wirklich wird über Nacht. Also gehen wir anker auf und segeln weiter zur Lofoten Hauptstadt Svolvœr. 4000 Einwohner leben hier und in der Fischsaison 10 000. Das Gewässer vor Svolvœr wird zunehmend steiniger, lauter kleine Inselchen liegen auch vor der Hafeneinfahrt.



die Freiheitsstatue von Svolvär



der Hafen von Svolvär

Wir passieren die Freiheitsstatue auf der Hafenmauer und fahren vorbei an der Hurtigrute, Fischern, Trawlern bis wir wieder ganz hinten die Gästestege entdecken.Uwe sieht ein bekanntes Schiff, die S/Y Lille Polaris arcticsailandski und will gegenüber anlegen, sehr schön rückwärts (will Momo eigentlich nicht) fährt er Momo an den Schwimmsteg, ich bin beschäftigt mit Leinen und Fendern, spüre wie Momo stockt, sie steckt, Blick auf das Echolot: 1,90 m, weg von hier, brülle ich. Mitten im Hafen, zwischen zwei Schwimmstegen ein Stein, das gibt es nicht, in der Karte und im Handbuch nichts verzeichnet, keine Stange, keine Boje – nichts. Uwe reagiert sofort und nach kurzem Zögern und Vollgas kommt Momo frei. Wir legen auf der anderen Seite des Stegs an, ich stehe jetzt am Bug und schaue auf den Grund, vorsichtshalber. Wir liegen auf dem Steg und schauen zum Ruder von Momo, wen was passiert ist, dann dem Ruder. Wir holen den Hafenmeister und fragen ihn, was das soll, ein Stein am Steg, nach seiner Aussage ist hier jedoch noch nichts passiert. Ich kann das nicht glauben. Der Hafenmeister organisiert für morgen früh einen Taucher, um nachzusehen, sicherheitshalber. Das war ein Schreck! Die Besatzung des französischen Bootes, JAN HIMP aus La Rochelle hat den Vorgang beobachtet, sie sind genauso rein gefahren, sie hatten aber Glück. Wir haben jetzt 1 Std. und 20 Minuten nach Niedrigwasser, aber im Hafenführer muss immer die geringste Tiefe angegeben sein.
10.45 Uhr am nächsten Morgen legen wir direkt am Schiff des Seenotkreuzers Kaptein Skagen an. Ein Taucher filmt mit der Kamera Momos Ruder und Rumpf, oben im Cockpit des Kreuzers sehen wir die Übertragung auf dem Bildschirm. Außer ein paar Kratzern an den Befestigungsschrauben des Ruders, ist zum Glück nichts passiert und wir können unsere Reise fortsetzen. Auch unsere Mitgliedschaft in der Redninsselskapet (norwegisches Pendant zu unserer DGZRS) hat sich schon gelohnt.






ein Tauchgang bringt Klarheit: nur ein paar Kratzer

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